Sommerliebe eine Anthologie aus 8 sinnlich-romantischen, humorvollen und erotischen Gay -Love -Storys (German Edition)
Supermarktparkplatz gehört mir. Zu spät registriere ich das Logo der Kette. Wunderbar. Nicht nur dasselbe Wetter, nein, auch derselbe Schriftzug über meinem Kopf. Mir kommt es vor, als bemühe sich ein fremder Regisseur darum, möglichst viele schmerzliche Erinnerungen in mir wach zu rufen. Erinnerungen an eine Zeit, in der die Dinge zwischen uns leichtherzig und vielversprechend waren. Erinnerungen, die heute Morgen noch Teil unseres Leben waren und seit ein paar Stunden verstaubte Historie sind. Ich bette die Stirn gegen das Lenkrad und verliere mich in der Textur des Lederimitats. Weich, warm von meinen eigenen Händen; fast, als würdest du mir die Hand auf die Stirn legen, wenn ich Kopfschmerzen habe. Vorbei.
Ich war noch Student und du hast schon damals in diesem unsäglichen Buchladen gearbeitet, aber das wusste ich natürlich nicht, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Nein, es war nicht Nacht. Nein, es hat nicht gewittert. Das kam erst später.
Aber dafür waren wir im Supermarkt.
Ich kann mich genau erinnern. Abgehetzt sprang ich aus dem Bus und raste zum Laden, der in ein paar Minuten zu schließen drohte. Mit meinem knurrenden Magen war das keinesfalls zu vereinbaren. Ich weiß noch genau, dass ich Heißhunger auf Ravioli hatte. Unter den Blicken der genervten Angestellten hetzte ich zum richtigen Regal und stieß mit jemandem zusammen, der dasselbe Ziel hatte. Mit dir. Du hattest rote Flecken um die Nase und dein Atem flog. Wir haben uns angegrinst – zwei Single-Männer allein auf der Jagd nach Essen – und sind zur Kasse geflitzt. Jeder mit einer Dose Ravioli unter dem Arm. Ich habe dir den Vortritt gelassen. Weißt du, was mir von diesem Abend am klarsten im Gedächtnis geblieben ist? Der Leberfleck in deinem Nacken, umgeben von einem sonnengelben T-Shirt, auf dessen Rückseite das Logo eines Buchverlags prangte. Das dunkle Muttermal wirkte auf mich wie eine sich langsam drehende Hypnosescheibe. Ich starrte es an, wollte es näher in Augenschein nehmen und mit der Nase dagegen stoßen. Was sich jetzt wie ein nicht unbedingt appetitlicher Leberfleck-Fetisch anhört, war etwas Größeres; die Spitze des Eisberges. Der fast schwarze Punkt in deinem Nacken war nur die Stelle, auf die ich mich konzentrierte. Der Ausgangspunkt einer Reise, auf der ich auf einige Sehenswürdigkeiten zu treffen hoffte. Zum Beispiel auf die Krümmung deines Ohrs, die sicherlich wahnsinnig empfänglich für Streicheleinheiten war.
Ob ich mich damals in dich verliebt habe? Natürlich nicht. Ich glaube an Lust auf den ersten Blick. Aber Liebe beim ersten zarten Augenkontakt halte ich für Unfug.
Wie dem auch sei: Du hast bezahlt, hast dich von der gereizten Art der Kassiererin nicht verunsichern lassen und brav dein Kleingeld passend auf den Tresen sortiert. Ich habe meine einsame Dose Ravioli aufs Band gestellt und unsere Begegnung in die Kategorie verschoben, in der ich alle Erinnerungen an vielversprechende Jungs stapele. Erinnerungen, die man früh morgens aus ihrem Kasten nehmen und zu etwas Größerem ausbauen kann, wenn man mit Morgenlatte und dem „Ich-muss-jetzt-ganz-schnell-kommen“-Gefühl erwacht.
Für mich war diese Begegnung damit beendet. Bis du dich umgedreht und mir über die Schulter hinweg ein so anzüglich-einladendes Grinsen zugeworfen hast, dass alles klar war. Kein Schleichen mehr, ob der andere vielleicht in der gleichen Liga spielt. Ob der hauseigene Schwulen-Sensor falsch oder richtig justiert ist, ob Interesse besteht, ob die Chemie stimmt. Du hast mir frech signalisiert: „ Du gefällst mir. Ich habe Interesse an dir, und wenn du weißt, was gut für dich ist, du auch an mir.“
So kam es mir zumindest vor. Viel später hast du mir gestanden, dass du in dem Augenblick, in dem du dich noch einmal zu mir umgedreht hast, mehr Schiss als Vaterlandsliebe hattest. Allzu viele Erfahrung hattest du noch nicht. Du wolltest weder einen Fehler machen noch dir eine Chance entgleiten lassen.
Aber das erfuhr ich, wie gesagt, erst später: Ich weiß noch, dass ich ziemlich enttäuscht war, als ich aus dem Geschäft kam. Du warst verschwunden. Ich hatte fest damit gerechnet, dass du auf mich warten würdest. Warum auch immer. Ich hatte geglaubt, in deinem Blick etwas in dieser Richtung gelesen zu haben.
Aber das passiert vermutlich vielen Menschen, wenn sie einkaufen, oder? Man flirtet sich über die Tiefkühltruhe mit IGLO-Gemüse hin an, steht bei den Fertigsuppen dicht nebeneinander,
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