Sommermaerchen
„Genau. Jack brachte den Brief gestern Abend vorbei.“
„Aber warum kam er nicht zu mir?“
„Er meinte, er wolle dich nicht sehen, und übel nehmen kann man es ihm wohl nicht! Jetzt kannst du die Straße zu deinem Waisenhaus bauen.“
„Wie lieb von ihm“, flüsterte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie suchte hastig nach einem Taschentuch.
„Es war unglaublich dumm von dir, Jack abzuweisen, Elle.“
„Was sollte ich denn tun? Deforge drohte, ihn zu töten!“
„Ach was! Jack Clifton wird mit einem Dutzend Männern wie Deforge fertig.“
Sie schüttelte heftig den Kopf. „Das kann ich nicht riskieren.“ Sie trocknete sich die Tränen. „Nun ist es geschehen. Aber ich verstehe es nicht. Als ich mich das letzte Mal von Lord Berrow trennte, war ich überzeugt, dass er nicht verkaufen würde. Warum hat er jetzt seine Meinung geändert?“
Alex lachte. „Jack sah ihn zufällig aus dem Haus am Ende unserer Straße kommen.
Kitty Williams’ Haus.“
„Aber Mrs Williams ist doch eine ...“ Eloise hielt schockiert inne.
„Genau. Jack fand heraus, dass Kitty gern bereit war – für die entsprechende Belohnung, versteht sich –, alle schmutzigen Einzelheiten über Lord Berrows zahlreiche Besuche auszuplaudern. Danach war es leicht für ihn, den alten Heuchler zu überreden, dir das Land zu verkaufen.“
„Dann können wir also mit dem Bau des Waisenhauses anfangen!“ Sie steckte den Brief in ihr Retikül. „Was für wundervolle Neuigkeiten! Ich muss dem Major schreiben und ihm danken.“
„Nein“, sagte Alex behutsam. „Ich soll dir von ihm ausrichten, dass er deinen Dank nicht will. Er tut es nur für Tony. Du musst ihn arg gekränkt haben, Elle.“
„Ich weiß.“ Sie spürte, wie ihr wieder die Tränen kamen. „Ich weiß, und es tut mir sehr leid. Aber es ist ja nicht so, als w...würde er mich lieben.“
„Nicht?“, wiederholte er ungläubig.
„Nein. Geliebt hat er nur Sir Ronalds erste Frau. Deswegen ist er auch so verbissen darauf aus, Deforge zu einem Duell zu fordern.“
Der Kummer, der sie erfüllte, drohte sie zu überwältigen, doch wenigstens war Jack jetzt sicher vor Deforge und seinen Schlägern. Genau das hatte sie gewollt, also gab es keinen Grund zur Klage und gewiss keinen, überrascht zu sein. Sie straffte die Schultern und sah Alex an. Er konnte ihr nicht helfen. Es gab nur einen Ausweg. „Am besten bringe ich dieses Papier zu meinem Anwalt“, sagte sie mit einem tapferen Lächeln.
„Und die andere Sache? Das Tagebuch?“
„Mach dir deswegen keine Sorgen, Alex.“
„Ich mache mir immer Sorgen, wenn du diese Miene aufsetzt.“
Sie hob verblüfft die Brauen. „Welche Miene?“
„Die der unschuldigen Dame, die kein Wässerchen trüben kann. Ich bestehe darauf, dass du mir sofort verrätst, was du vorhast, Elle. Nein, du kannst nicht einfach gehen! Elle! Eloise!“
17. KAPITEL
Jack legte letzte Hand an den Sitz seines Krawattentuchs, als er Stimmen auf der Treppe vor seiner Unterkunft hörte. Er nickte Robert zu. „Geh und schick sie weg.
Sag ihnen, ich sei bereits abgereist.“
Daraufhin schlüpfte er in seine Weste und runzelte die Stirn, als die Stimmen lauter wurden, statt zu verstummen. Verdammt, konnte Robert nicht einmal den einfachsten Befehl ausführen?
„Sir“, meldete Robert sich gleich darauf wieder bei ihm. „Es ist Mr Mortimer. Er sagt, er weiß, dass Sie hier sind, und besteht darauf, Sie zu sprechen.“
Jacks Ärger verwandelte sich in Bestürzung, als er Alex hereinhumpeln sah. „Was zum Henker machen Sie hier? Sie sind weiß wie ein Laken!“
Schnell nahm er seine halb gepackte Reisetasche von einem Sessel. „Setzen Sie sich.“
Alex lehnte schwer auf seinem Gehstock und ließ sich dann mit schmerzverzerrtem Gesicht in den Sessel sinken. „Ich hatte bestimmt nicht vor, heute noch so weit zu gehen, das können Sie mir glauben.“
„Sie sind zu Fuß gekommen? Sind Sie von Sinnen?“
„Nein, ich nahm eine Droschke, aber die Treppen bis hierher haben mich sehr angestrengt. Es ist wegen Elle“, kam er sofort zum Thema. „Ich kann ihr nicht helfen, also müssen Sie es tun.“
Jack machte Robert ein Zeichen, den Raum zu verlassen. Erst als sie allein waren, fragte er Alex: „Weiß Lady Allyngham, dass Sie hier sind?“
„Nein. Sie besuchte mich heute Morgen, und ich tat, worum Sie mich gebeten haben. Ich sagte ihr, Sie seien bereits abgereist.“
„Danke. Und jetzt kehren Sie besser wieder zurück
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