Sommermaerchen
zweifellos anrüchigen Pläne für den Abend verdorben. „Den Verstand?“
„Jawohl, deinen Verstand. Was hast du dir nur dabei gedacht, allein spazieren zu gehen?“
Den Anlass für ihren späten Spaziergang wollte sie ihm um keinen Preis verraten, also hob sie herausfordernd das Kinn. „Ich konnte nicht schlafen.“
Ungläubig betrachtete er Beatrice und strich sich mit der Hand durchs Haar. Da sie keinerlei Anstalten machte, sich von der Stelle zu rühren, hob er sie kurzerhand über seine Schulter.
„Lass mich runter!“
Ihre Einwände ignorierend ging er weiter. Nach etwa dreißig Schritten hatten sie sein Haus erreicht, gleich darauf betrat er mit ihr die dunkle stille Halle. Er schloss die Tür und setzte Beatrice behutsam ab.
„Tritt vorsichtig auf, damit die Verstauchung sich nicht verschlimmert“, sagte er.
Beatrice nickte und versetzte ihm prompt mit dem unverletzten Fuß einen Tritt.
Sie bedauerte dies jedoch sofort. Charles stöhnte lediglich leise auf, dann trat er einen Schritt auf sie zu und betrachtete sie eindringlich.
Sein Raubtierblick brachte sie aus der Fassung, und sie wich zurück.
„Du musst nicht flüchten, Liebes. Ich werde dir nicht wehtun. Warum sollte ich auch.
Bei deinem Anblick kommen mir weitaus schönere Dinge in den Sinn.“
Sie schluckte schwer. „Es tut mir leid, dass ich dich getreten habe. Ich möchte jetzt bitte nach Hause.“
„Nicht so schnell“, sagte er und schob eine Haarlocke aus ihrer Stirn. „Du hast mir immer noch nicht verraten, warum du so spät unterwegs bist.“
„Ich weiß nicht ... Ich war ruhelos. Mir war gar nicht bewusst, dass ich so weit gegangen war.“
Seine grünen Augen funkelten, sein Blick schien sie förmlich zu verbrennen. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das glauben soll. Aber ich bin froh, dir begegnet zu sein.“
Er wusste es. Sie sah es in seinen Augen, an der Art, wie er sie mit glühendem Blick musterte, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. Er kannte den wahren Grund für ihren Spaziergang, wusste, dass sie diesen seinetwegen unternommen hatte, weil ihre frühere Begegnung sie aufgewühlt hatte. Und gewiss wusste er auch, dass sie in diesem Augenblick daran dachte, welch schönes Gefühl es gewesen war, seine Lippen auf den ihren zu spüren.
„Du könntest bleiben“, sagte er.
Beatrice schüttelte den Kopf, unfähig den Blick von ihm abzuwenden. Zu gern wollte sie bleiben, wollte herausfinden, was diese Gefühle in ihrem Inneren bedeuteten.
Unwillkürlich spürte sie, dass Charles der Einzige war, der es ihr erklären konnte, denn er war der Einzige, der jemals solche Gefühle in ihr geweckt hatte. Eine innere Stimme sagte ihr, dass heute Nacht nicht nur Wut, sondern auch Neugier sie zu seinem Haus geführt hatte.
Indes, sie musste gehen, sonst würde sie sich hoffnungslos in seinem Netz verfangen. „Ich kann nicht bleiben.“
Ein unergründlicher Ausdruck – möglicherweise verzweifeltes Verlangen – huschte über sein Gesicht. „Du würdest aber gerne bleiben.“
„Nein.“
„Bitte bleib.“ Charles hatte zuvor noch nie eine Frau um etwas gebeten, aber jetzt konnte er nicht anders. Er verzehrte sich nach ihr und wollte sie nicht gehen lassen.
Sanft strich er über ihr Gesicht, genoss das Gefühl, ihre seidig weiche Haut zu spüren. Dann, als zöge ihn eine unsichtbare Macht zu ihr, beugte er sich vor, bis ihre Lippen miteinander verschmolzen ...
Aufstöhnend gab Charles seiner Begierde nach und küsste Beatrice mit einer inbrünstigen Leidenschaft, die er nicht mehr zügeln konnte. Er drängte sich an sie, drückte sie dabei an die Tür, während er die Hände in ihr Haar schob.
Einen Augenblick lang schwelgte sie in seinem Kuss, schloss die Augen und gab sich ganz der Wonne, der Sehnsucht, dem Verlangen hin. Seine Zunge erkundete ihren Mund, reizte und neckte sie, und ihr Körper jubilierte. Eng schmiegte sie sich an ihn, wollte ihn berühren, über seine Brust und durch sein Haar streichen. Wollte, dass auch er sie berührte, um dieses pochende Verlangen tief in ihrem Inneren zu stillen.
Deshalb fiel es ihr auch so schwer, ihn von sich zu stoßen. „Nicht“, sagte sie atemlos und hasste sich dafür. Aber sie wusste, dass sie nicht anders handeln konnte. Sie durfte ihr Leben nicht einer Nacht der Leidenschaft opfern, und darauf liefe es letztendlich hinaus. Eine Nacht – nicht mehr. Würde sie sich ihm ganz hingeben, wäre ihr Leben nie wieder so wie zuvor. Er hingegen würde sein
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