Sommermaerchen
Gästen.“
„Tut mir leid, Bea“, sagte Helen, ohne im Geringsten zerknirscht auszusehen. Sie lachte ihre Schwester an. „Bist du mit Lord Pelham bekannt?“
Beatrice errötete leicht, als sie Charles anblickte. „Ja.“
Helen grinste Charles frech an und flüsterte ihm verschwörerisch hinter der vorgehaltenen Hand zu: „Wie ich sagte, die Hälfte von dem, was man hört, ist wahr.“
Er konnte nicht länger an sich halten und brach in Gelächter aus.
„Wovon sprichst du, Helen?“, fragte Beatrice verstimmt.
„Ich mache nur Konversation mit Lord Pelham“, erwiderte Helen und wechselte das Thema. „Glaubst du, Vater lässt mich mit dem Ponywagen in die Stadt fahren, Bea?“
„Ich hoffe doch“, antwortete Beatrice. „Vielleicht kannst du eine recht lange Ausfahrt unternehmen.“
„Ich werde mir Mühe geben“, sagte Helen und lief die Stufen hinunter.
„Lenkt sie den Wagen selbst?“, fragte Charles.
Beatrice nickte, ihre Augen strahlten vor Liebe zu ihrer Schwester. „Ja, und Gott stehe jedem bei, der ihren Weg kreuzt. Im Dorf lebt ihr Freund George. Er ist der Sohn des Pfarrers, aber ganz und gar kein Heiliger, ebenso wenig wie meine Schwester. Wahrscheinlich hecken die beiden einen Streich aus, den sie uns heute spielen wollen. Eleanor und ich haben miteinander gewettet. Wir vermuten, es werden Schnecken in der Limonade oder Murmeln im Ballsaal sein.“
Charles lachte. „Ich hoffe auf die Murmeln.“
„Ich auch, das ist viel unterhaltsamer.“
Sie blickten sich schweigend an. Beatrice kam sich dumm vor, weil sie wieder einmal unbekümmert ohne Punkt und Komma geplaudert hatte. Beklommen machte sie einen Schritt zur Treppe.
Charles wollte nicht, dass ihre Unterhaltung bereits endete. „Deine Schwester sieht dir sehr ähnlich.“
„Ich weiß“, sagte Beatrice und entspannte sich etwas. „Helen, Ben und ich ähneln unserer Mutter. Eleanor dagegen hat die Haar- und Augenfarbe unseres Vaters.“
„Mein Bruder Mark ähnelte meiner Mutter“, sagte Charles plötzlich und fragte sich, warum um Himmels willen er das ausgerechnet jetzt zur Sprache brachte. Er wollte gar nicht darüber sprechen.
„Ach ja?“ Wie damals im Park spürte sie, dass es ihm nicht leicht fiel, über Vater und Bruder zu sprechen.
Charles nickte bedächtig. „Ja, er hatte hellblondes Haar wie meine Mutter.“
Beatrice nickte, doch als sie sah, wie mulmig ihm zumute war, versuchte sie, behutsam das Thema zu wechseln. „Auch Lucy hat Ähnlichkeit mit deiner Mutter.
Zwar nicht im Aussehen, aber sie haben beide so eine gewisse ...“
Er lachte, erleichtert über etwas anderes sprechen zu können. „Eine gewisse Art, sich in alles einzumischen? Das kann man wohl sagen. Und sie sind beide entschlossen, mich in den Wahnsinn zu treiben. Bist du auf dem Weg ins Frühstückszimmer?“
Beatrice nickte.
„Darf ich dich begleiten?“
Verlegen nickte Beatrice erneut. Charles bot ihr seinen Arm, und sie hakte sich bei ihm unter, dann gingen sie gemeinsam nach unten. Obwohl er weder etwas sagte noch ihr zu nahe kam, schlug ihr Herz rasend schnell.
Den restlichen Tag verkroch sich Beatrice in der Bibliothek. Sie hatte es vorgezogen, nicht mit den Gästen auszureiten, um ihre wirren Gedanken zu ordnen.
Nun dachte sie über ihre Unterhaltung mit Charles nach, die weder Angst einflößend noch überwältigend gewesen war, sondern einfach nur nett.
Warum musste er ihr Leben wieder verkomplizieren, indem er nett zu ihr war? Sie wollte ihn nicht mögen. Sie wollte ihn hassen. Stattdessen kam er daher und erzählte ihr in solch traurigem Ton von seiner Familie und von seinem Bruder. Warum?
Er galt doch als flegelhafter Herzensbrecher ohne Gefühle, und sie sollte kein Mitgefühl für ihn verspüren. Das ergab keinen Sinn.
Seufzend wandte sie sich ihrem Notizbuch zu. Mit leerem Blick starrte sie auf die weiße Seite ohne zu bemerken, dass jemand eintrat.
„Sie scheinen ganz in Ihre Gedanken versunken“, sagte Lord Asher, während er zu ihr herüberkam und sich neben sie auf das Sofa setzte.
Sie schloss das Heft und warf ihm einen Seitenblick zu. Er war viel zu nahe an sie herangerückt. „Das war ich wohl.“
Er rückte noch etwas näher und legte seine Hand über die ihre. „Darf ich fragen, woran Sie gedacht haben?“
Beatrice sah auf seine Hand. Ganz gewiss nicht an Sie, dachte sie, ehe sie antwortete: „An Schokoladenbaisers. Die Köchin versprach mir, sie würde welche zum Dessert zubereiten.“
Lord
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