Sommermond
er fragte: „Wusste Jana davon?“
Nick erwiderte nichts, was Antwort genug war.
„Boah!“, stöhnte Ben. „Ich bring‘ sie um! Gleich wenn ich zurück bin.“
Einen Moment trat Stille ein. Nick konzentrierte sich auf das Fahren, während sich in Bens Kopf immer mehr Fragen auftaten. Doch er brachte keine von ihnen hervor. Nick nahm das unangenehme Schweigen letztendlich als Anlass, um fortzufahren.
„Wir waren feiern wie so oft“, erzählte er, „und du warst zu Hause am Lernen … wie immer.“
„ Wie immer? “, hakte Ben nach.
Er konnte nicht verhindern, dass er verletzt klang. Nebenbei erinnerte er sich an seine Gedanken, die ihm heute Mittag im Garten der Villa gekommen waren. Die Gedanken, in denen er erkannt hatte, dass ihm kein allzu großes Glück bevorstand; in denen er sich als jemanden gesehen hatte, der sich Sprosse für Sprosse an seine Karriereleiter klammerte, um dabei stets darauf zu achten, nicht loszulassen und hinunterzustürzen. Denn dort erwartete ihn nichts. Gar nichts.
Nicks Worte und der dazugehörige Vorfall, der letztendlich zu ihrer Trennung geführt hatte, bestätigten ihn in dieser Ansicht. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte er sich mit Jo verbunden. Der Stararchitekt war zwar nicht schwul, ließ sich seinen Lebenslauf aber ebenfalls von der Karriere bestimmen.
„Fast immer“, korrigierte sich Nick.
Ein wirklicher Trost war diese Abschwächung nicht.
„Lass mich raten!“, entgegnete Ben und überspielte seine Emotionen mit einer grandiosen, schauspielerischen Leistung. Er wandte sich an Nick und grinste gezwungen. „Ihr habt gefeiert, getrunken und anschließend gefickt.“
Zusammen mit dem letzten Wort tat er übertrieben lässig, obwohl ihn seine Wortwahl selbst erschrak.
„Nein“, erwiderte Nick. „Wir haben gefeiert, getrunken und uns anschließend geküsst.“
Ben hatte einen Höhepunkt in Nicks Formulierung erwartet, war dann aber mit einem radikalen Spannungsabbau enttäuscht worden.
„Das war alles?“, fragte er ungläubig.
Er wollte weitersprechen, doch als er sah, wie Nick kaum merklich den Kopf schüttelte, schloss er den Mund.
„Das passierte noch ein paar Mal“, erzählte Nick unpassend ruhig. „Erst kurz vor seiner Abfahrt kam’s dann zum Sex.“
Ben musste stark schlucken.
„Mann!“, fluchte Nick und schlug einmal kräftig auf das Lenkrad. „Ich hab‘ danach doch sofort gemerkt, wie scheiße das war und dass dich niemand ersetzen kann!“
„Ach, du wolltest mich also ersetzen? Einfach austauschen, wie ein altes, stinkendes Handtuch?“ Ben stockte und fuhr in verstellter Stimme fort. „Es geht nicht mehr mit dem alten, also hol‘ ich mir einfach ein neues …“ Seine Worte trieften vor Ironie und Spott.
„So ein Quatsch!“, verteidigte sich Nick.
Er war lauter geworden. Als er für wenige Sekunden aufgebracht in Bens Richtung schaute, machte er beim Fahren einen Schlenker und wurde sofort angehupt.
„Pass lieber auf, wo du hinfährst!“, schimpfte Ben.
„Mann, Ben!“, entgegnete Nick und umklammerte das Lenkrad nun so fest, dass seine Fingerknöchel spitz hervorstachen. „Ich wollte dir nicht wehtun. Okay?“
Ben lachte verbittert.
„Klar. Okay“, erwiderte er. „Thema durch.“ Der Sarkasmus seiner Worte war so stark, dass er sich in seiner Stimme überschlug.
Nick stöhnte verzweifelt auf. Ben gönnte ihm dieses spezielle Gefühl, das einen von innen heraus zerfraß und die unmissverständliche Information an das Gehirn weiterleitete, dass es ab diesem Punkt nicht mehr weiterging.
„Ja, es war scheiße“, gab Nick zu. „Aber, mein Gott! Es ist nun mal passiert.“
Er sprach darüber, als sei es lediglich eine Kleinigkeit, die man ihm mal eben auf der Autobahn zwischen Hamburg und Flensburg verzeihen konnte.
„Ja, klar. Sowas passiert einfach so“, entgegnete Ben. „Nachdem man fast drei Jahre zusammen ist. Da geht man fremd, belügt den anderen und verlässt ihn ohne jegliche Erklärung.“
„Ben, mach’s doch nicht komplizierter als es sowieso schon ist!“, forderte Nick ihn auf.
„Willst du mir jetzt die Schuld geben, oder was?“, fragte Ben und warf seinem Exfreund einen verärgerten Blick zu.
„Ach, so ein Unsinn!“
„Weißt du?“, begann Ben, stockte und holte tief Luft. „Die absolute Härte ist echt, dass du dann, nach alledem, nach Hamburg kommst, um mit mir zu vögeln.“ Erneut hielt er kurz inne. „Was hast du dir denn dabei gedacht? Sex mit dem Ex … soll doch
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