Sommermond
weiterhin um Alex gesorgt zu haben, fühlte sich schlecht an.
Er freute sich darauf, bald zurück in Flensburg zu sein. Zurück in seinen eigenen vier Wänden. Dort würde er genug Zeit zum Nachdenken haben und sich gegen Abend noch einmal bei Alex melden. Von Nick brauchte er jetzt erst mal Abstand. Sein Geständnis war hart und bedurfte einiges an Zeit und Ruhe, um verdaut zu werden.
Ben lauschte dem Refrain des Songs und plötzlich fiel ihm der Titel wieder ein: Winners and Losers .
Furchtbar passend. So passend, dass er fast darüber lachen musste. Doch nach außen hin blieb er still und wich jedem versuchten Blickkontakt seines Exfreundes aus. Es war alles gesagt. Fast alles. Das Einzige, was er Nick am liebsten noch an den Kopf geworfen hätte, war, dass er jede Sekunde seines Lebens, die er mit ihm verbracht hatte, bereute. Doch das war albern, denn es stimmte nicht. Aber er wünschte sich, dass es stimmte, damit die aufgerissenen Wunden schneller heilten.
Für den Bruchteil einer Sekunde begann er an sich selbst zu zweifeln und befürchtete, tatsächlich noch mehr für Nick zu empfinden, als er sich eingestehen wollte. Warum sonst machten ihm dessen Worte derart zu schaffen?
Doch als er dann an das Foto von Alex in seiner Tasche dachte und an all das, was ihn mit dem Blonden verband, wichen die Zweifel sofort von ihm. Er liebte Alex. Da war er sich sicher und das gab ihm Halt. Halt, um sich nicht unnötig in einem Sumpf aus gekränkten Gefühlen zu verlieren, in dem man schneller feststecken konnte, als einem lieb war. Deshalb behielt er Alex‘ Bild vor seinem geistigen Auge und redete sich unentwegt ein, dass alles gut werden würde. Sein Leben war noch zu kurz, als plötzlich allen Mut zu verlieren und sich zu viele Gedanken über die Vergangenheit zu machen. Er lebte jetzt . Und in diesem Jetzt zählte Alex. Nicht Nick.
12
Alex nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Das Wasser schmeckte fad. Er spülte den metallischen Geschmack in seinem Mund herunter und wischte sich anschließend mit der flachen Hand über die Lippen. Dann drehte er den Plastikverschluss zurück auf den Flaschenkopf und lehnte sich gegen die Wand. Er hatte sich auf die miefende Matratze gesetzt – bedacht darauf, nicht jene Stelle zu berühren, auf die einer der Kriminellen seine oralen Exkremente gerotzt hatte.
Sein Körper schmerzte an jeder Stelle, weshalb er sich letztendlich für die weiche Polsterung unter seinem Hintern entschieden hatte. Ihm war kalt. Immer wieder hauchte er sich in die Handflächen, um seinen warmen Atem anschließend reibend zu verteilen. Seine Fingerkuppen waren so kalt, dass sich der Bereich unter den Fingernägeln schon bläulich verfärbte.
Ein Zeitgefühl hatte er noch immer nicht. Es könnte Nacht sein, aber auch Tag. Er konnte lediglich grob einschätzen, dass ihn Juan vor etwa zwei Stunden allein zurückgelassen hatte. Das Licht hatte er angelassen. Die nackte Glühbirne flackerte. Alex sehnte sich nach einer Zigarette. In jenem Moment würde er alles für zwei oder drei Züge an einer Marlboro tun, um sich vom Nikotin betäuben zu lassen. Er wollte schlafen, doch sein Körper hielt ihn wach. So saß er da und zählte die Zeit. Sein Knöchel pochte im zu eng gewordenen Schuh und seine Nase schmerzte mit jedem Atemzug.
Er legte die Flasche neben sich auf die Matratze und lehnte seinen Kopf nach hinten gegen die Wand. Er war kein besonders geduldiger Mensch, weshalb ihm jede Minute, die gähnend dahin schlich, wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Noch immer wusste er nicht, was der Spanier von ihm wollte. Das Einzige, was Juan ihm offenbart hatte, war, dass es nicht mehr um Geld ging. Also ging es um mehr. Vermutlich um Leben und Tod. Angst machte ihm das keine. Die Kerle hatten das letzte bisschen Furcht aus ihm herausgeprügelt und nicht mehr als eine menschliche Hülle zurückgelassen, die nun vor sich hin vegetierte.
Sein Kopf war leer. Jeder Versuch, einen klaren Gedanken zu fassen, brach in sich zusammen. Das Einzige, um das er Gott (an den er eigentlich nicht glaubte) unentwegt anbettelte, war, dass es Ben gut ging. Das hoffte er mehr als alles andere.
Er nahm den Kopf wieder nach vorn und schloss die Augen. Er versuchte an etwas Warmes zu denken, an Sonne und Spanien …
Bei diesem Gedanken lachte er hohl auf. An Spanien. Was lag auch näher? Er lachte verbittert, bevor er sich statt auf Spanien nur auf die Sonne konzentrierte.
„Mir ist warm …“, flüsterte er. „Mir ist
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