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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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ausholen, aber irgendwann würde sie ihn mit einer Frage oder einem Kommentar unterbrechen und dann würde er innehalten und sein Drehbuch umschreiben müssen.
    Aber nicht nur der Kerl war einer dieser speziellen Charaktere. Alex war es auch. Das wusste er – auch, wenn er sich das ungern eingestand.
    Er ließ seinen Blick weiter durch die Bar schweifen und beendete seinen visuellen Rundgang am hintersten Tisch vor der Fensterfront. Es war ein hoher Tisch, an dem man entweder auf einer rot gepolsterten Bank oder einen von zwei Barhockern Platz nehmen konnte. Auf den Hockern saßen eine Frau und ein Mann. Aus ihren Blicken und Gesten untereinander war zu erkennen, dass es sich bei ihnen ebenfalls um ein Pärchen handelte. Doch sie waren es nicht, die Alex‘ Aufmerksamkeit erregten. Es war der Kerl gegenüber von ihnen, mit dem sie sich unterhielten. Durch seine eng anliegende, schwarz schimmernde Hose und das dazu passende bordeauxfarbene Hemd, auf dessen einen Hälfte sich ein elegantes Blumenmuster entlangzog, war unschwer zu erkennen, dass er schwul sein musste. Die Hemdärmel hatte er bis zu den Ellenbeugen gekrempelt. Er hatte durchtrainierte Arme und derart sonnengebräunte Haut, dass er aussah, als wäre er erst vor wenigen Minuten von einem zweiwöchigen Strandurlaub zurück nach Hamburg gekommen. Als er in seinem Drink rührte, rutschte ein schwarzes Lederarmband mit braunen Kordeln an sein Handgelenk.
    „Der hat’s dir aber angetan, was?“
    Alex wandte sich flüchtig zum Tresen. Einen irrwitzigen Moment glaubte er, der Barkeeper sprach von dem Kerl, den er bis eben angestarrt hatte. Deshalb warf er ihm einen unsicheren Blick zu, bis er wieder zur Besinnung kam. Natürlich war nur der Cocktail gemeint. Er räusperte sich und schob das leere Glas in Richtung des Barkeepers.
    „Jab“, antwortete er und nickte. „Noch mal das gleiche!“
    „Wie heißt das Zauberwort?“, fragte der Barkeeper mit erhobener Augenbraue.
    Daraufhin warf Alex ihm einen skeptischen Blick zu.
    „War ‘n Scherz!“, wehrte der Dunkelhaarige ab und lachte. „Ich mach‘ dir noch einen.“
    Alex nickte kaum merklich. Dann drehte er sich wieder zum attraktiven Kerl und erstarrte, als ihre Blicke dabei aufeinander trafen. Der Typ starrte einen ganzen Moment fest zurück, bevor sich seine Mundwinkel hoben und seine Lippen zu einem forschen Lächeln formten. Er hatte ein markant männliches Gesicht, was einen starken Kontrast zur schrillen Kleidung darstellte. Um sein Kinn lag ein Dreitagebart. Der Blick seiner dunklen Augen erzählte von viel Erfahrung. Seine etwas längeren Haare hatte er mit Haarspray in ein dunkles Chaos verwandelt.
    Nur beiläufig bekam Alex mit, wie der Barkeeper den zweiten Drink vor ihm abstellte. Ohne den Blick von dem Kerl abzuwenden, griff er nach dem Glas, führte es an seine Lippen und nahm ein paar Schlucke. Dann stellte er es wieder ab und leckte sich provokant langsam über die Lippen. Daraufhin wandte der Typ den Blick ab und sagte etwas zu seinen Freunden, die sich fast zeitgleich zu Alex umwandten.
    Im Grunde war Alex selbstbewusst und fühlte sich gut. Aber der neugierige Blick des fremden Pärchens war genau das, worüber er vorhin nachgedacht hatte. Ein Beispiel eines mimischen Kommentars, der nicht in seinem Drehbuch stand und ihn dadurch aus dem Konzept geraten ließ. Mit einem Mal kam er sich erbärmlich vor, wie er dasaß in seinem hässlichen, grauen Pullover und seinen kurzen Haaren. Unruhig rutsche er auf seinem Stuhl hin und her, zog sich dann den Pullover aus und stopfte ihn unter seinen Hintern. Mit einem weiteren Nippen am Getränk versuchte er von seiner Nervosität abzulenken. Als er wieder aufschaute, erhob sich der Kerl von seinem Platz und schob seine Jacke in die hintere Ecke der Bank. Er nickte noch kurz in Richtung seiner Freunde und steuerte anschließend auf Alex zu. Der wurde dadurch von einem derartigen Adrenalinschwall durchfahren, dass er glaubte, den gerade erst getrunkenen Alkohol sofort wieder ausspucken zu müssen. Sein Puls beschleunigte sich, als der Kerl immer näher trat und schließlich neben ihm stehen blieb.
    Alex wurde schwindelig, und als er einen Moment unbewusst die Luft anhielt, stieg ihm der Alkohol noch rasanter zu Kopf. Unsicher starrte er auf den Tresen und tippte erneut einen der Eiswürfel an. In seinem weißen Hemd fühlte er sich wenigstens etwas ansehnlicher. Er spürte den festen Blick des Kerls auf sich, wie er ihn musterte und regelrecht

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