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Sommermond

Titel: Sommermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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während er das Glas zu sich zog und den Inhalt beäugte.
    „Dass du aussiehst wie ein Grandseigneur auf der Flucht vor Ruhm und Ehre“, entgegnete der Barkeeper.
    „Ach, wirklich?“, fragte Alex und hob eine Augenbraue.
    Der Dunkelhaarige nickte.
    Alex zuckte mit den Schultern und tippte einen der Eiswürfel an, um sie erneut zum Klirren zu bringen.
    „In Wirklichkeit bin ich aber auf der Flucht vor zwei miteinander verfeindeten Mafias, die mich jeweils als ihren treuen Mitspieler sehen und mir im Falle einer Nichteinhaltung der Spielregeln damit drohen, mein Leben zu ruinieren.“
    Kaum dass er ausgesprochen hatte, hob er das Glas, setzte es an seine Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Als er danach aufschaute, sah er den irritierten Blick des Barkeepers. Er zögerte noch einen kurzen Moment, bevor er gezwungen grinste, um seinen Worten damit einen amüsanten Touch zu verleihen.
    „Ah…“, machte der Barkeeper daraufhin, während er das Handtuch von seinen Schultern zog. Er hob seine Hand, deutete mit dem Zeigefinger auf Alex und zwinkerte dazu. „Der war gut … wirklich gut!“
    Alex nickte kaum merklich. Als der Barkeeper sich anschließend abwandte, um sich um weitere Gäste zu kümmern, blickte er ihm nachdenklich hinterher. Auf eine seltsame Art und Weise war das Gespräch tatsächlich amüsant gewesen. Aber nicht wegen seiner eigenen Worte, sondern aufgrund der Tatsache, dass der Barkeeper ihm diese nur als Witz abgekauft hatte. Das verdeutlichte nur zu gut, wie absurd seine Situation im Grunde war. Absurd, abwegig und unglaubwürdig. Und das, obwohl seine Worte wahr und nicht mehr als eine emotionslose Überschrift gewesen waren, hinter der sich noch eine Menge weiterer dreckiger Details verbargen. Einen kurzen Moment versuchte er sich vorzustellen, wie der Barkeeper wohl reagiert hätte, wenn er ihm alles offenbart hätte: die Drogen, die Entführung, die Drohungen, die Gründe für seine Frisur. Hätte er dann auch auf ein trockenes Grinsen von Alex gewartet, das genügte, um das Ganze als sozialen Zynismus abzutun?
    Alex seufzte laut auf und schüttelte den Gedankenzug von sich. Wieder nahm er das Glas und trank ein paar Schlucke. Die kühle Flüssigkeit glitt seine Kehle entlang und hinterließ einen bitteren Geschmack, unter den sich ein Hauch von Anis mischte. Der Drink war stark. Der Alkohol stieg ihm schon nach wenigen Minuten zu Kopf. Vielleicht bildete er sich das nur ein, vielleicht lag die schnelle Wirkung einfach in seinem erschöpften Zustand begründet.
    Je mehr er trank, umso kleiner wurden die Eiswürfel. Das Glas, was er zwischenzeitlich immer wieder abstellte, hatte bereits mehrere feuchte Ringe auf dem hölzernen Tresen hinterlassen. Alex fuhr sie mit seinen Fingern nach und verwischte sie daraufhin. Dann trank er noch den letzten Rest und stellte das Glas anschließend laut vor sich ab, um sich gleichzeitig tief aufstöhnend mit der flachen Hand über die Lippen zu wischen. Der Barkeeper war noch mit zwei anderen Gästen beschäftigt, so dass Alex noch eine Weile auf Nachschub warten musste. Diese Gelegenheit nutzte er, um sich erneut im Inneren der Bar umzusehen. Mittlerweile war es voller geworden. Auch an dem Tisch, der vorhin frei gewesen war, saß nun ein Paar. Ein Kerl um die vierzig mit weißem Hemd, aus dessen oberen, nicht zugeknöpften Bereich dunkle Brusthaare quollen. Seine Frau oder Freundin war wesentlich jünger. Vielleicht dreißig. Sie trug ihre langen, schwarzen Haare offen und hatte ihre Lippen mit demselben Rotton geschminkt, mit dem sie auch ihre Fingernägel lackiert hatte. Es war das Rot ihrer Bluse. Der Kerl schien mit irgendetwas herumzuprahlen. Bei jedem zweiten Wort riss er die Augen weit auf und fuchtelte in übertriebenen Gesten vor ihr in der Luft. Zwischendurch lachte er dann gekünstelt.
    Alex liebte es, andere Menschen zu beobachten. Meist genügte es, die verschiedenen Leute für ein paar Minuten zu beobachten, um sie einem bestimmten Schlag Menschen zuordnen zu können. Da gab es beispielsweise die künstlich Selbstbewussten, die so taten, als wären sie in allem, was sie taten, von sich überzeugt. Doch meist genügte dann ein einziger Kommentar, mit dem sie nicht gerechnet hätten; ein einziger Kommentar, der nicht in ihrem Tagesdrehbuch stand, und mit dem man sie im Bruchteil einer Sekunde aus dem Konzept bringen konnte.
    Von diesem Schlag Mensch schien der Kerl gegenüber der Frau in Rot zu sein. Noch ließ sie ihn reden und weit

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