Sommermond
Erinnerungen in ihm auf. Dieses Mal allerdings keine an Alex, sondern welche an eine Zeit vor seinem Praktikum in Hamburg. Erinnerungen an die Zeit seines Abiturs, seines ersten Semesters und seiner Beziehung zu Nick, deren positive Seiten im Zusammenhang mit allem Drumherum noch immer überwogen. Glücksgefühle durchströmten ihn und stimmten ihn auf die anstehende Party ein. Als er fertig war, spielte er ein paar Lieder frei aus dem Kopf und tippte dabei rhythmisch mit seinem Fuß auf den Boden. Er versank in den Bildern vergangener Zeiten und erinnerte sich an all die schönen Momente, die er bislang erleben durfte. Dann schloss er seine Augen und wollte gerade einen Song mitsingen, als seine Zimmertür aufging.
Sofort erstarrte Ben – fast, als ob man ein Kind beim heimlichen Kokeln im Zimmer erwischt hätte. Er schob die Gitarre von seinem Schoß und lehnte sie neben sich an die Wand. In der Tür stand seine Mutter und lächelte.
„Du hättest ruhig weiterspielen können“, sagte sie. „Ich habe dich schon ewig nicht mehr gehört. Ich dachte schon, das wäre nicht mehr dein Ding.“
„Na ja“, erwiderte Ben. „Irgendwann muss ich ja wieder anfangen, damit ich mir etwas Geld auf der Straße erspielen kann, falls ich in den USA pleite gehe.“
Seine Mutter schüttelte lachend den Kopf. „Du scheinst dir ja schon ziemlich sicher zu sein, was das Stipendium angeht.“
Ben zuckte mit den Schultern. Er stützte sich mit seinen Händen neben sich ab und richtete sich auf.
„Ich versuch‘ einfach optimistisch zu sein“, erklärte er. „Mehr nicht.“
„Max wartet unten“, erklärte seine Mutter als Grund ihres plötzlichen Auftauchens.
„Oh, okay!“, gab Ben zurück.
Ein Anflug von Hektik überkam ihn. Wie verrückt suchte er zwischen alten Klamotten nach seinem Portemonnaie. Als er es fand, behielt er es in der Hand und trat zur Tür. Vor seiner Mutter blieb er noch einmal stehen.
„Ich finde es schön, dass du mal wieder losziehst“, sagte sie. „Das wird dir sicher gut tun.“
Sie legte ihre Hände auf seine Schultern, lehnte sich etwas nach hinten und musterte ihn lächelnd.
„Und du siehst toll aus!“, sagte sie dazu. „Wirklich!“
Ben lachte verlegen. „Danke.“ Dann schob er sie sanft zur Seite und quetschte sich aus der Tür. „Aber ich muss jetzt echt los.“
Mit diesen Worten trat er zur Treppe, hielt sich am Gelände fest und lief schnellen Schrittes nach unten.
„Viel Spaß!“, hörte er seine Mutter hinter sich rufen.
Doch statt zu antworten, eilte er zu Max, der vor der Haustür stand und auf ihn wartete. Er begrüßte ihn mit einem festen Handschlag und bückte sich zu seinen Schuhen.
„Echt cool, dass du mitkommst“, begann Max das Gespräch.
„Hatte ich ‘ne andere Wahl?“, fragte Ben.
Er schlüpfte in die Schuhe und stopfte die Schnürsenkel hinter die zungenförmige Lasche. Dann richtete er sich auf und quetschte sein Portemonnaie in die Jackentasche.
„Ich hab‘ den Kunststudenten angerufen“, erzählte er trocken.
Im Augenwinkel sah er, wie breit Max grinste, während er die Haustür aufzog.
„Und?“, fragte er, als sie nach draußen gingen.
Ben sah zu ihm auf, zuckte mit den Schultern und antwortete schlicht: „Er kommt.“
„Ernsthaft?“, hakte Max nach und sah dabei aus wie ein kleines Kind, das gerade erfuhr, dass der eigentlich gecancelte Ausflug in den Freizeitpark nun doch stattfinden würde.
Ben drückte die Haustür zu. Sie passierten das weiße Garagentor und schritten über die Einfahrt bis zu Max‘ dunkelblauen T3. Der alte VW-Bus war Max‘ ganzer Stolz.
„Also trinkst du heute Abend nichts?“, fragte Ben.
„Ich hab‘ auch so meinen Spaß“, erwiderte Max und hielt Ben die Beifahrertür auf. Dabei fielen zwei alte McDonalds -Tüten aus dem Fußraum. Ben bückte sich, hob sie auf und stopfte sie zurück.
„Sag mal … Räumst du den eigentlich auch mal auf?“, fragte er Max.
Der zuckte unberührt mit den Schultern.
„Das hat Stil!“, erklärte er mit übertriebener Geste. „Mein kleiner Kollege hier“, und dabei klopfte er freundschaftlich auf die dunkle Karosserie, „gehört nicht blankgeputzt.“
Ben schüttelte grinsend den Kopf und stieg schließlich ein. Max umrundete den Bus, setzte sich neben ihn und startete den Motor. Dann griff Ben nach dem staubigen Gurt und drückte ihn in das dafür vorgesehene Gegenstück, während Max den Bus von der Einfahrt lenkte. Sie fuhren an den aneinandergereihten
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