Sommermond
Augenbraue und legte seinen Kopf schief. Er erkannte seinen Vater kaum wieder. Jo benahm sich plötzlich derart komisch, dass er seine Sorgen für einen kurzen Moment vergaß und sich beherrschen musste, nicht laut loszulachen.
„Ich habe es mittlerweile akzeptiert, dass du … du …“ Jo ließ seine ausgestreckte Hand kreisen, als ob er Alex zum Weitersprechen animieren wollte.
„Dass ich’s mit Kerlen treibe?“, fragte Alex.
Jo schloss seinen Mund und nahm die Hand herunter.
„Und was genau willst du mir jetzt sagen?“, hakte Alex nach.
„Dass du aufpassen sollst.“
„Keine Angst, ich werd‘ keine Enkelkinder anschleppen“, erwiderte Alex.
„Du sollst überhaupt nichts anschleppen!“, platzte es daraufhin aus Jo.
Alex sah ihn mit halb offenem Mund an und nickte dann. Jetzt verstand er, worum es seinem Vater ging. Er konnte es sich nicht verkneifen, leise aufzulachen.
„Vater?“, fragte er dann und blickte irritiert zu selbigem auf. „Erstens bin ich schon groß und zweitens … Machst du dir gerade etwa Sorgen um mich?“
Jo sah ihn noch einen kurzen Moment an, bevor er den Blick senkte. Er antwortete nicht. Das brauchte er auch nicht. Alex wusste, dass er recht hatte. Jo schien das väterliche Verhalten unangenehm zu sein. Alex starrte ihn erwartungsvoll an, wartete darauf, dass er etwas erwiderte.
Erst nach einer ganzen Weile blickte Jo wieder auf. Er sah verletzt aus.
„Ich mache mir immer Sorgen um dich“, antwortete er. „Das solltest du mittlerweile kapiert haben.“
Die Worte saßen. Alex wurde nachdenklich. Er dachte darüber nach, dass er sich eigentlich nur kurz hatte verabschieden wollen. Dass diese Verabschiedung zu einem derart intimen Gespräch werden würde, hätte er nicht ahnen können. Ob dies nun ein gutes oder ein schlechtes Omen war, wusste er nicht. In einem Film wäre es vermutlich Letzteres, damit diese Szene die Zuschauer noch einmal bewegte, bevor man dem Hauptprotagonisten das Leben aushauchte.
„Wirst du noch bedroht?“, fragte Jo dann.
Die Frage kam so plötzlich, dass Alex sich erst aus seinem Gedankentief zerren musste, bevor er reagieren konnte. Wortlos starrte er seinen Vater an. Mit seinem Blick gab er ihm die Antwort. Ob Jo sie verstand, wusste er allerdings nicht.
„Ich muss jetzt los“, versuchte er abzulenken und deutete auf die Eingangstür.
Jo nickte. Er wirkte nicht, als wollte er weitere Antworten von ihm erzwingen. Das war unüblich für ihn. Insgesamt verhielt er sich an diesem Abend unüblich. Fast, als ob er Alex irgendetwas verheimlichte. Doch vermutlich war das nur Einbildung.
Als Alex zum Eingangsbereich schritt, spürte er den festen Blick seines Vaters auf seinem Rücken. Er ignorierte ihn. Stattdessen zog er seinen Schlüssel von der Kommode und presste seine Füße in ein Paar schwarze Schuhe. Nachdem er die Haustür aufgezogen hatte, drehte er sich noch einmal um. Jo stand noch immer regungslos da, wirkte abwesend.
„Lässt die Presse dich eigentlich mittlerweile in Ruhe?“, fragte Alex.
Diese Frage war für ihn eine Art Wiedergutmachung für den Kommentar, den er seinem Vater zu Beginn ihres Gesprächs an den Kopf geworfen hatte.
Entgegen allen Erwartungen war Jos erste Reaktion ein müdes Lächeln. Er senkte kurz den Blick, bevor er wieder aufsah.
„Es hat Spuren hinterlassen“, erwiderte er. „Aber die werden mit der Zeit verblassen.“
„Und dein Projekt?“, fragte Alex.
Er war selbst überrascht über sein plötzliches Interesse.
„Das habe ich behalten können.“
Alex nickte und erinnerte sich an die Pressekonferenz seines Vaters. Er wusste noch genau, wie wütend er über dessen Heuchelei gewesen war. Doch in diesem Moment nahm er sie ihm nicht mehr übel. Sein Vater war den besten Weg gegangen, den er in seiner Situation hätte gehen können. Im Grunde konnte Alex ihm sogar dankbar dafür sein. Immerhin hing auch sein Wohlstand davon ab.
Er sah Jo ein letztes Mal fest in die Augen, bevor er sich schließlich awandte. Er trat nach draußen und zog die Tür hinter sich zu.
Damit, dass er das Gespräch zurückließ, ließ er auch seine kurzzeitige Ablenkung zurück. Doch jetzt, als er dastand und von warmer Sommerluft umhüllt wurde, schossen alle Sorgen zurück in seinen Verstand. Er ließ den Schlüsselbund in seiner Hose verschwinden und machte sich auf den Weg zur Straße. Er war spät dran. Schnellen Schrittes verließ er die Einfahrt, stürmte über die Straße und hielt Ausschau nach dem
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