Sommermond
Ben etwas belastete.
„Wie läuft es denn zwischen euch beiden?“, fragte er.
Ben wich seinem Blick aus. Er drängelte sich an ihm vorbei und schritt Richtung Küche. Dort angekommen öffnete er einen der Hängeschränke und nahm sich einen Teller. Dann kramte er ein Messer aus der Schublade und zog sich ein Körnerbrötchen aus einer Schüssel. Jo, der ihm gefolgt war und sich nun gegen den Tresen lehnte, durchbohrte ihn mit seinem Blick.
„Na ja …“, stammelte Ben. Er holte sich Butter und Käse aus dem Kühlschrank und stellte die Sachen vor sich ab. „Mal so, mal so.“
„Und das heißt?“, hakte Jo nach.
Ben schnitt sein Brötchen auf. Er fühlte sich unwohl in seiner Haut. Er wusste so vieles, was Jo nicht wusste, und musste es ihm trotzdem vorenthalten. Das bereitete ihm Kopfschmerzen. Natürlich könnte er das Treffen mit Kommissar Wagner außen vor lassen und nur davon erzählen, wie er und Alex es gestern miteinander getrieben und sich danach gestritten hatten. Doch er glaubte nicht, dass Jo diese Details hören wollte.
„Hast du schon irgendwas aus ihm herausgekriegt?“, fragte Jo. „Hast du irgendeine Ahnung, was er treibt?“
Ben schüttelte den Kopf. Er schmierte Butter auf sein Brötchen und klatschte eine Scheibe Käse darauf.
„Er ist ziemlich sauer wegen meines Stipendiums“, antwortete Ben. „Er ist der Meinung, ich würde einfach abhauen und ihn allein lassen.“
Jo nickte verständnisvoll. Er drückte sich vom Tresen und atmete laut aus.
„Irgendwie hat er ja recht, oder?“, fragte er.
„Tz …“ Ben schüttelte den Kopf und biss in das belegte Brötchen.
„Seid ihr denn wieder … Na, du weißt schon … zusammen?“, fragte Jo.
„Nein“, schmatzte Ben und würgte das Stück Brötchen hinunter. „Zumindest glaub‘ ich das nicht.“
Jos Augenbrauen zogen sich zusammen. Er wirkte irritiert.
„Na ja“, schmatzte Ben und wischte sich mit der Hand über den Mund. „Was hätte das noch für ‘nen Sinn, wenn ich eh bald weg bin?“
„Und sonst weißt du nichts?“, hakte Jo erneut nach.
„Nein“, erwiderte Ben.
„In Ordnung“, sagte Jo und trat zur Tür. „Aber sobald du etwas weißt, sagst du es mir, ja?“
Ben nickte und schob sich die letzte Ecke der Brötchenhälfte in den Mund. Er konnte es kaum erwarten, dass Jo aus der Küche verschwand. Er hielt es nicht länger aus, ihm etwas vorzuspielen.
Vor der Tür blieb Jo stehen und wandte sich noch einmal zu ihm.
„Dein Stipendium war für die Columbia University, richtig?“, fragte er.
„Ja, genau“, erwiderte Ben. „Warum?“
„Nur so“, tat Jo ab. „Nur so …“
Er senkte seinen Blick und wandte sich zum Gehen um.
„Ach, Jo?“, rief Ben ihm hinterher.
Der Architekt blieb stehen und warf ihm einen aufmerksamen Blick zu.
„Du bekommst nachher einen wichtigen Anruf“, erklärte Ben. „Mehr kann ich dir leider nicht sagen.“
Jos Gesicht verzog sich kritisch. „Was soll denn das heißen?“
„Das wirst du dann erfahren“, entgegnete Ben.
„Na, da bin ich ja mal gespannt“, sagte Jo und tat entspannt. Doch Ben sah ihm an, wie aufgewühlt er innerlich war. Er starrte ihn an und glaubte, Jo würde ihm weitere Fragen stellen. Doch das tat er nicht. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich endgültig ab und verschwand im Flur.
Ben nahm die zweite Hälfte seines Brötchens, belegte sie ebenfalls mit einer Scheibe Käse und legte die Sachen zurück in den Kühlschrank. Er klemmte sich das Brötchen zwischen die Zähne und räumte den Teller in die Spülmaschine. Dann verließ auch er die Küche. Er schritt die Treppen hinauf und ging in sein Zimmer. Doch als er es betreten wollte, überlegte er es sich im letzten Moment anders, ließ von der Türklinke ab und schritt stattdessen zur Tür, die in Alex‘ Zimmer führte. Vorsichtig öffnete er sie und spähte ins Innere. Von dem Blonden fehlte jede Spur. Er schob sich das letzte Stück seines Abendbrots in den Mund, trat ein und drückte die Tür hinter sich zu. Er kam sich vor wie jemand Kriminelles, der gerade in eine Wohnung einbrach. Er schritt zum Bett und ließ sich auf der ausgeschlagenen Decke nieder. Alex hatte sein Zimmer aufgeräumt. Der Klamottenberg vor dem Schrank und das Cognacglas waren verschwunden. Auch die Luft war nicht mehr stickig. Offenbar hatte er gut gelüftet.
Ben wusste nicht genau, was er hier wollte. Irgendein innerer Trieb hatte ihn hierhergelockt. Nachdenklich blickte er sich um. Über dem
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