Sommermond
zusammenzog. Alex‘ Deal war schon morgen. Der Termin war so nahe, dass es Ben verrückt machte. Er versuchte sich zu beruhigen, indem er sich einredete, dass das, was er getan hatte, das Richtige war. Doch das Teufelchen auf seiner anderen Schulter schüttelte argwöhnisch den Kopf und war der Meinung, dass er sich nicht hätte einmischen dürfen. Vielleicht wäre ja alles glatt gegangen und Alex danach aus der Sache raus. Vielleicht wäre alles genau so gelaufen, wie er es gesagt hatte. Und wenn jetzt etwas schief ging, war er daran Schuld.
Ben schüttelte den Kopf.
So ein Quatsch , dachte er.
Es war nur vernünftig, die Polizei informiert zu haben. Sie hatte viel Erfahrung und wusste, wie man mit derartigen Banden umging. Allein hätte Alex das nie gepackt. Und falls doch, wäre seine Mittäterschaft irgendwann aufgeflogen und hätte ihn in den Knast gebracht. Genau das war es, was Ben verhindern wollte. Deshalb hatte er so gehandelt. Die ganze Nacht hatte er sich den Kopf darüber zermartert.
Er war am Ende der ersten Seite des Buches angelangt. Irritiert verzog er sein Gesicht. Er hatte keine Ahnung, was er gerade gelesen hatte. Erschöpft stöhnte er auf und wollte es noch einmal versuchen, doch dann klingelte sein Handy. Erschrocken sprang er auf und ließ den Bestseller dabei fallen. Er zog das Handy aus seiner Hosentasche, nahm ab und bückte sich unterdessen, um das Buch wieder aufzuheben.
„Hey, Mum!“, begrüßte er seine Mutter. Er hatte ihren Namen auf dem Display gesehen.
„Hallo, Schatz!“, erwiderte sie. „Ich will dich gar nicht stören. Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dir geht.“
Ben setzte sich wieder und legte das Buch neben sich auf die Couch.
„Danke“, antwortete er. „Mir geht’s gut. Und euch?“
Es war ihm schon schwer genug gefallen, Jo etwas vorzumachen. Jetzt auch noch seine Mutter belügen zu müssen, ließ sein schlechtes Gewissen rasant wachsen.
„Gut, danke. Wie läuft es denn zwischen dir und Alex?“, fragte sie.
Ben erinnerte sich an das Gespräch mit Jo und stöhnte genervt.
„Warum wollt ihr das alle wissen?“, fragte er gereizt.
„Na, immerhin war das der Grund, aus dem du nach Hamburg gefahren bist“, erwiderte seine Mutter. „Da wird man ja wohl mal nachfragen dürfen.“
Ben schloss seine Augen und biss sich auf die Unterlippe. Er wusste nicht, was er antworten sollte. Auf jeden Fall musste er seine Mutter beruhigen. Sie war jemand, der sich zu schnell zu viele Sorgen machte, und das wollte er verhindern.
Er schlug seine Augen wieder auf und holte tief Luft. Doch im gleichen Moment betrat Jo den Wintergarten. Er wirkte sehr ernst.
„Du, Mum?“, entschuldigte sich Ben. „Ich muss Schluss machen. Tut mir echt leid …“ Er stockte und verfing sich in Jos festem Blick. „Ich meld‘ mich später noch mal.“
„Aber, Ben ...“
Der Dunkelhaarige nahm das Handy vom Ohr und legte auf. Jo trat auf ihn zu und blieb vor dem Couchtisch stehen. Seine Hände hielt er ineinander verschränkt vor dem Bauch. Ben ahnte, was los war. Er wusste nichts zu seiner Verteidigung zu sagen.
„Ich habe gerade mit Kommissar Wagner telefoniert“, begann Jo.
Ben starrte ihn an. Er hatte das Gefühl, seine Eingeweide würden sich zusammenziehen.
„Gibt es noch mehr, das ich wissen sollte?“, fragte Jo.
Ben schüttelte den Kopf. Zu Worten war er nicht fähig.
„Gut“, sagte Jo.
Er trat um den Couchtisch, setzte sich und machte Ben damit noch nervöser.
„Gut?“, brachte Ben nun hervor.
„Ich …“ Jo stockte und seufzte laut auf. Dann schüttelte er den Kopf, als wäre er überfordert mit der Situation. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Ging mir gestern nicht anders“, erwiderte Ben. Seine Nervosität klang langsam ab.
„Ich … Ich bin dir so dankbar“, sagte Jo dann.
Ben traute seinen Ohren nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er zu Jo und wartete darauf, dass er fortfuhr.
„Ich meine das ernst, Ben“, sagte er und sah ihm dabei fest in die Augen. „Wenn alles so verläuft, wie Kommissar Wagner es geplant hat, stehe ich in deiner Schuld.“
„Schwachsinn …“, zischte Ben.
„Nein“, gab Jo zurück. „Das ist alles andere als Schwachsinn.“ Er stockte und wandte den Blick ab. „Wenn alles gut geht“, fuhr er fort, „kommt Alex endlich da raus. Dank deiner Hilfe stände ihm dann seine ganze Zukunft offen. Ohne dich wäre sein Schicksal spätestens mit dieser Sache besiegelt gewesen.“
Ben lächelte
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