Sommermond
küssen.
Ben saß regungslos da. Die Eifersucht in ihm wuchs immer stärker. Am liebsten wäre er zum Pool gerannt und hätte Alex angeschrien. Doch dazu war er nicht fähig. Stattdessen starrte er wie gebannt in Alex‘ Richtung und quälte sich durch den Schmerz, der sich in ihm auftat. Der schwarzhaarige Kerl – Ben schätzte ihn auf Mitte zwanzig – tauchte unter und schien Alex aus der Boxershorts zu befreien. Wenige Sekunden später bestätigte sich dieser Verdacht, als er wieder auftauchte, sich mit der Hand durchs nasse Haar fuhr und ein schwarzes Stück Stoff über den Beckenrand warf.
Bens Herz hämmerte so kräftig gegen seine Brust, dass es ihm das Atmen erschwerte. Er wollte aufstehen und gehen, doch seine Muskeln gehorchten ihm nicht. Seine Knie waren weich, das Buch hing schlaff in seinen Händen. Er starrte noch immer zu Alex und erschrak, als dieser ihn plötzlich entdeckte. Noch immer schaffte er es nicht, sich abzuwenden. Der Blonde warf ihm einen scharfen Blick zu – provokant, nicht vorwurfsvoll. Dann drückte er den Kerl, der gerade Küsse auf seiner Brust verteilte, nach unten in seinen Schritt. Der stechende Schmerz in Ben wurde nun unerträglich. Er warf Alex einen verletzten Blick zu und wandte den Blick ab. Er presste seine Lippen zusammen und klappte das Buch in seinen Händen zu. Anschließend erhob er sich von der Couch, blieb aber noch einmal vor der großen Fensterfront stehen. Der Schwarzhaarige tauchte kurz auf, japste nach Luft und gluckerte gleich darauf wieder unter. Alex legte seinen Kopf in den Nacken. Seine Augen bildeten schmale Schlitze, sein Blick wirkte benommen. Seine Lippen waren einen Spalt breit geöffnet und ließen Ben erahnen, wie er lustvoll stöhnte. Sein Blick klebte noch immer an dem von Ben. Es wirkte fast, als wollte er ihn bewusst verletzen. Ben senkte den Kopf und biss seine Zähne so fest zusammen, dass seine Wangenmuskulatur sich anspannte. Er konnte die Szene nicht länger ertragen. Er wandte sich ab und stürmte Richtung Ausgang. Er wollte nur noch weg.
Auf dem Flur begegnete er Jo. Als er sich wortlos und mit gesenktem Blick an ihm vorbeidrängelte, konnte er dessen verwirrten Blick auf sich spüren. Er ignorierte ihn, trat zur Treppe und hastete sie hinauf. So schnell er konnte, eilte er zu seinem Zimmer, riss die Tür auf und knallte sie hinter sich zu. Aufgeregt schritt er im Raum auf und ab und versuchte sich zu beruhigen. Unmengen von Adrenalin hetzten durch seine Nervenbahnen, drangen in seinen Verstand und machten ihn mit jeder Minute wütender. Schwer atmend blieb er stehen, hob seine Hand, senkte sie wieder, hob sie dann erneut und schmiss das Buch gegen die Wand. Er taumelte rückwärts bis zum Bett, ließ sich auf die Matratze fallen und starrte ausdruckslos vor sich ins Leere. Seine Hände zitterten. Er beugte sich nach vorn und vergrub sein Gesicht in ihnen. Normalerweise war er nicht nahe am Wasser gebaut, doch dieses Mal siegte die Überforderung, verband sich mit seiner Verzweiflung und ließ seine Augen glasig werden. Er versuchte die Tränen zurückzuhalten, doch schon beim nächsten Wimpernschlag drangen sie aus seinen Augen und zogen warme Spuren über seine Wangen. Er fühlte sich miserabel. Es hatte ihn schon verletzt, nur davon zu hören, wie Alex sich die Zeit ohne ihn vertrieben hatte; es jedoch live zu sehen, war ein erheblicher Unterschied. All das, was Alex vor seiner Rückkehr nach Hamburg getan hatte, hätte er ihm verzeihen können. Doch mit seinem aktuellen Handeln ging er zu weit. Ben fühlte sich betrogen und ausgenutzt. Im Wahn seines Zorns wünschte er sich sogar, er könnte das Treffen mit Wagner rückgängig machen. Er wollte Alex nicht mehr helfen, nicht länger sein Fußabtreter sein. Plötzlich war ihm egal, was der Blonde in den letzten Monaten auf sich genommen hatte, um ihn zu schützen. Plötzlich war ihm alles egal.
Er nahm seine Hände aus dem Gesicht und leckte sich die Tränen von den Lippen. Gleich darauf überkam ihn ein neuer Schwall Wut. Er beugte sich vor und riss die Schublade des Nachtschranks auf. Er zog das verwaschene Foto von Alex heraus, nahm es in seine Hände, spannte seine Finger an und zerriss es. Einmal, zweimal, dreimal. Die Papierfetzen rieselten zu Boden und verteilten sich wie übergroßes Konfetti um seine Füße. Er schob die Schnipsel zur Seite und stand auf. Allmählich beruhigte er sich. Die letzten Tränen trockneten auf seinen Wangen. Dennoch spürte er plötzlich das
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