Sommermond
bekommen. Der Arzt wollte ihm Angst machen und ihn überzeugen, seine Meinung zu ändern.
„Sonst noch was?“, fragte er und blickte Dr. Bendfeldt das erste Mal in die Augen.
„Herr Richter, bitte!“, sagte dieser und hob seine Hand in einer verzweifelten Geste. „Die Komplikationen können lebensbedrohlich sein.“
„Ich werd‘ mich ja schonen, okay?“, gab Ben zurück. „Trotzdem muss ich jetzt nach Hause. Es gibt da eine Menge zu klären.“
„Egal, was es ist. Das lässt sich mit Sicherheit auch noch regeln, wenn Sie wieder gesund sind“, erwiderte Dr. Bendfeldt.
Ben schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. „In diesem Fall zählt jede Minute.“
Der Arzt stöhnte auf. Er schien zu merken, dass er Ben nicht aufhalten konnte.
„In Ordnung“, sagte er dann. „Schwester Meinhardt bringt Ihnen gleich einen Zettel, den Sie bitte unterschreiben. Darin erklären Sie sich damit einverstanden, das Krankenhaus entgegen ärztlichen Rat zu verlassen.“
Ben nickte. „Gut. Ich warte hier.“
Der Chefarzt blickte ihn bedrückt an. Er schien sich tatsächlich Sorgen um Ben zu machen und ihm diese nicht vorzuspielen.
„Aber wenn irgendetwas sein sollte, wenn ungewöhnliche Schmerzen auftreten oder Sie andere Beschwerden bekommen, kommen Sie bitte umgehend hierhin zurück!“
Ben nickte erneut.
„Und schonen Sie sich! Kein Sport, keine körperliche Anstrengung. Ich lass Ihnen ein Taxi rufen.“
„Danke“, erwiderte Ben und zwang sich zu einem Lächeln.
Dr. Bendfeldt schritt zur Tür.
„Ich wünsche Ihnen alles Gute!“, verabschiedete er sich. „Und natürlich hoffe ich, dass wir uns nicht wiedersehen.“
Ben sah ihn an. Dieses Mal musste er tatsächlich lächeln. „Ich werd‘ auf mich aufpassen. Versprochen.“
Dr. Bendfeldt seufzte noch einmal und warf Ben einen letzten Blick zu, der ihm verdeutlichte, dass der Arzt sich wünschte, er hätte Ben umstimmen können. Dann verließ er das Zimmer.
Ben blieb erleichtert zurück. Er hasste derartige Prozeduren. Eigentlich war er jemand, der sich an Regeln und Anordnungen hielt. Deshalb widerstrebte es ihm, sich derart zu verhalten. Doch die Umstände ließen ihm keine andere Wahl. Er musste in die Villa, um wieder voll für Alex da sein zu können.
Lange warten musste er nicht, bis die besagte Schwester samt dem Papierbogen zu ihm zurückkehrte. Wortlos reichte sie ihm den Kugelschreiber und ließ ihn unterschreiben.
„Und Sie sind sich wirklich sicher?“, fragte sie, als Ben ihr den Zettel zurückgab.
„Ja, das bin ich“, erwiderte Ben.
„Wir haben Ihnen ein Taxi gerufen. Es steht am hinteren Ausgang für Sie bereit. Sie müssen nur mit dem Fahrstuhl nach unten und dann den Markierungen folgen“, erklärte sie.
„Okay“, gab Ben zurück. „Danke.“
„Dann alles Gute!“, wünschte sie ihm noch, bevor sie das Zimmer ebenfalls verließ. Die Tür ließ sie offen.
Ben verstand dies als eine Art Aufforderung. Er ließ sich von der Bettkante rutschen und griff nach seiner Jacke. Dann nahm er die schwere Tasche und zog sie vom Bett. Als sie in seinen Händen der Erdanziehungskraft zum Opfer fiel, stach sich ein ungeheurer Schmerz durch seinen Arm und zog von dort aus bis in seinen Brustkorb. Ben kniff die Augen zusammen und nahm die Henkel sofort in beide Hände. So konnte er das Gewicht etwas besser verteilen.
In langsamen Schritten verließ er sein Zimmer. Schnell konnte er nicht gehen. Immer, wenn er auftrat, spürte er die Schmerzen nur umso deutlicher. Benommen torkelte er bis zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Die Tasche behielt er in seinen Händen. Nach etwa einer Minute kam der Fahrstuhl. Die massiven, silberfarbenen Türen schoben sich auf, direkt dahinter Melanie Höfer.
„Was machst du denn da?“, fragte sie sofort.
In ihren Händen hielt sie einen Laborbericht.
„Wonach sieht’s denn aus?“, gab Ben zurück und trat an der schwarzhaarigen Schwester vorbei in den Aufzug.
„Mo…“ Sie schob ihren Fuß zwischen die Türen. „…ment!“
„Was?“ Ben war gereizt. Das Taxi wartete und er selbst wollte keine weitere Sekunde verlieren.
„Du kannst doch nicht einfach abhauen!“ Melanie war entsetzt.
„Kann ich schon. Siehst du doch“, entgegnete Ben. „Ich hab‘ die Entlassungspapiere schon unterschrieben und … ja, ich hab‘ mir schon alle möglichen Komplikationen angehört.“
„Und du gehst trotzdem?“, fragte sie.
Sie war noch nicht lange im Beruf. Dennoch verunsicherte ihre Art ihn
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