Sommermond
entgegengebracht, dass es ihn selbst überraschte. Er fühlte sich nicht schlecht damit. Im Gegenteil. Es fühlte sich gut an. Ben von seiner Vergangenheit zu erzählen, war das Mindeste, was er tun konnte. Er hatte ihn in so viele Schwierigkeiten gebracht, dass er ihm dieses erklärende Hintergrundwissen schuldete. Beim gemeinsamen Durchblättern der Fotos hatte er sich weder Mitleid noch Trost erhofft, sondern lediglich ein offenes Ohr, das ihm zuhörte. Und genau das hatte Ben getan und sich damit genau richtig verhalten. Dies bestätigte Alex noch einmal darin, mit Ben eine gute Wahl getroffen zu haben. Ben sah gut aus. Ben war sportlich und intelligent und Ben war jemand, auf den man sich verlassen konnte. In jeder Hinsicht.
Gedankenverloren griff er nach dem Fotoalbum und musste lächeln. Er lächelte, weil er glücklich war und dieses Glück kaum fassen konnte. Für ihn war es Schicksal, dass Ben vor einigen Wochen als Praktikant in die Villa gekommen war. Ohne dessen Hilfe würde sich Alex vermutlich noch in wesentlich schlimmeren Umständen befinden. Doch aktuell gab es nur noch das eine Problem, das er in ein paar Stunden lösen würde. Später würde er das nötige Geld von seinem Vater bekommen, es daraufhin dem Spanier überreichen und damit ein für alle Mal einen Schlussstrich unter seine Vergangenheit ziehen. Von da an würde er nur noch in die Zukunft blicken, in der er Ben an seiner Seite sah.
„Wo soll eigentlich die Übergabe stattfinden?“, wurde er unerwartet aus den Gedanken gerissen.
Er hatte gar nicht mitbekommen, dass Ben aus dem Badezimmer zurückgekehrt war.
„Kannst du Gedanken lesen?“, fragte Alex.
Er stand auf und stellte das Album zurück auf das Regal.
„Dein Blick verrät dich“, erwiderte Ben. „Immer.“
Alex verstand nicht recht. Skeptisch blickte er zu Ben auf.
„Deine Augen“, erklärte dieser. „In deinen Augen sieht man alles.“
„ Alles? “, fragte Alex.
„Ja, klar. Zumindest seh‘ ich da alles“, antwortete Ben. „Ich hab‘ schon gesehen, dass du auf mich stehst, als du mich noch wie den letzten Dreck behandelt hast.“
„Ach, wirklich?“ Alex hob eine Augenbraue. „Und trotzdem hast du dich nicht an mich rangetraut?“
„Hab‘ ich doch“, erwiderte Ben und grinste. Er schritt auf Alex zu und umfasste dessen Hemdkragen. „Als ich total betrunken war. In der Küche. Weißt du nicht mehr?“
Alex sah ihn unsicher an. Er musste einen Moment nachdenken, bevor er sich an die Szene zurückerinnerte, von der Ben sprach. Das Ganze hatte stattgefunden, nachdem Alex Nick aus der Villa geworfen hatte. Er und Ben hatten sich gemeinsam in der Küche aufgehalten und plötzlich hatte sich der Dunkelhaarige auf ihn gestürzt und ihn geküsst. Alex hatte ihn sofort von sich geschubst und ihm zusätzlich kräftig in den Magen getreten.
„Autsch ...“, warf Alex gequält ein.
Ben nickte. „Ja, du warst ein brutales Arschloch.“
Alex sah ihn an. Sein schlechtes Gewissen meldete sich und jagte ihm ein unangenehmes Gefühl durch die Glieder.
„Es tut mir leid …“, flüsterte er.
Ben ließ von Alex‘ Kragen ab und umschloss dessen Gesicht. „Ich liebe dich trotzdem“, erwiderte er lächelnd.
Als er seinen Blick eine Sekunde später senkte, merkte Alex, dass Ben seine Worte offensichtlich bereute. Er wusste nicht, warum. Vielleicht wurde er ungern sentimental, vielleicht glaubte er aber auch, Alex mit seinen Worten überrumpelt zu haben. Letzteres war allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil. Alex musste sich ein Lächeln verkneifen. Ben hatte ihm gerade seine Liebe gestanden, was zwar kitschig klang, sich aber gut anfühlte. Trotzdem wusste er nicht, wie er darauf reagieren sollte oder was Ben nun von ihm erwartete. Zunächst schwieg er und regte sich nicht. Dann trat er einen Schritt näher auf Ben zu und lehnte seine Stirn gegen die des Dunkelhaarigen. Dieser hielt Alex‘ Gesicht noch immer in seinen Händen und schenkte ihm damit ein Gefühl von Geborgenheit. Alex schloss seine Augen und genoss die Nähe. Ben übertrug eine wohlige Wärme auf ihn, die ihn ganz benommen machte.
„Ich liebe dich auch“, hauchte er und drückte sich dabei noch fester an sein Gegenüber.
Doch fast zeitgleich nahm Ben sein Gesicht ein Stück zurück. Alex öffnete seine Augen und verfing sich daraufhin in dem treuen Blick des Dunkelhaarigen.
„Hast du das gerade wirklich gesagt?“, flüsterte Ben.
Alex konnte den warmen Atem auf seinen Lippen
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