Sommernachts-Grauen
Waschraum verließen. In dem Moment, in dem die Tür geöffnet wurde, drang die Musik deutlich lauter herein, um kurz darauf wieder in ein dumpfes Wummern überzugehen.
Ulli sah die Reihe der Kabinen entlang. Sie hatte Glück, keine war besetzt. Grundsätzlich nahm sie die Letzte, das schien ihr sinnvoll, weil die Meisten gleich in eine der ersten verschwanden. Sie hasste es, wenn direkt vor ihr jemand die Toilette gebraucht hatte.
Sie griff nach der Tür und drückte sie mit Schwung auf, in Gedanken an Ella und wie sie jeden Moment mit ihr lachen und tanzen würde. Das vermisste sie schon jetzt, wenn sie daran dachte, zukünftig mehr im Ausland zu arbeiten. Noch bevor sie richtig registrierte, dass die Kabine doch belegt war, ließ sie der Schlag auf den Kopf zu Boden gehen.
Ihre Beine knickten ein, als wären sie aus leichtem Papier beschaffen. Ihre schöne und äußerst teure, neongelbe Strumpfhose konnte dem Sturz nicht unbeschadet widerstehen. Ein großes Loch zeichnete sich unmittelbar auf einem ihrer Knie ab. Unsanft wurde ihr leicht benommener Körper in die Kabine gezogen und auf die Brille der Toilette gesetzt, dessen Deckel fehlte. Mit geschickten Griffen wurden ihre Schuhe abgestreift und die Strumpfhose ausgezogen, um damit ihre Hände unsanft hinter ihrem Rücken an das Wasserrohr der Spülung zu binden.
Als sie endlich wieder zu Bewusstsein kam und um Hilfe schreien wollte, musste sie feststellen, dass etwas in ihrem Mund steckte. Es fühlte sich haarig und gleichzeitig klebrig an. Sie wollte es ausspucken, es aus ihrem Mund und Hals entfernen. Es kitzelte und ließ sie anfangen zu würgen.
Die Masse ihrer eigenen Haare, die ihr zuvor von der Kopfhaut entfernt worden war, konnte sie nicht bewältigen. Noch begriff sie nicht, dass ihr Haupt nie mehr schön aussehen würde und ihre blonden Locken kein einziges Magazin je wieder zieren würden. Erschrocken fing sie an zu zappeln, in der Hoffnung, sich befreien zu können. Mit aufgerissen Augen sah sie trotz des spärlichen Lichts die Klinge eines Messers aufblitzen. Wieder rüttelte sie mit ihrem Körper an dem Rohr.
‚I Want Your Love‘.
Ganz deutlich hörte sie die Stimme des Sängers, als die Tür zum Waschraum geöffnet wurde. Mit aller Kraft drückte sie ein paar Töne durch ihren verstopften Mund. Aber alles, was nach außen drang, kam einem kläglichen Gewimmer gleich. Sie hörte, wie jemand in der Kabine nebenan die Spülung drückte. Laut rauschte das Wasser aus der Leitung.
Wieder rüttelte sie an dem Rohr. Es musste doch möglich sein, wenigstens mit dem Kopf an die Wand zu schlagen und somit auf sich aufmerksam zu machen. Mit Entsetzen sah sie, wie das Messer immer dichter an ihr Gesicht geführt wurde. Hatte sie zuvor wild gezappelt, um sich irgendwie zu befreien, saß sie stocksteif und bewegte sich gerade soweit, bis ihr Kopf die Wand erreichte und sie dadurch keine Möglichkeit mehr hatte, dem Unausweichlichen zu entkommen.
Einzig ein dumpfes Geräusch war aus ihrem Mund zu hören, dass, wenn sie in der Lage dazu gewesen wäre, ein tiefer Aufschrei hätte sein sollen. Tränen rannen aus ihren Augen. Sie traute sich nicht den Kopf zu schütteln, obwohl ihr gesamter Körper sich aufzubäumen versuchte.
Die Spitze der Klinge wurde langsam in ihr Gesicht gedrückt. Ihre Haut gab kurz elastisch nach, bis sie sich wie ein ausgedrückter Pickel öffnete und Blut heraus floss. Leicht ließ sich nun die Klinge durch ihr Gesicht ziehen. Trotzdem spürte Ulli keinen Schmerz. Warm rann das Blut ihre Wange herunter und tropfte auf ihr weißes Oberteil. Unmengen an Adrenalin veranlassten Ulli sich nochmals aufzubäumen. Das laute Geräusch der Spülung dröhnte in ihren Ohren. Sie hatte sich im Überlebenskampf gegen den Hebel gelehnt und ihn ausgelöst. Sie zappelte wild mit ihren Beinen im Versuch sich zu wehren. Wieder kam tosend das Wasser aus der Leitung. Ihr Rock wurde durchnässt. Das alles spielte keine Rolle.
Inzwischen war ihr alles egal, sie wollte hier weg. Mit aller Kraft zerrte sie an der Leitung, die ein wenig nachgab. Aber je mehr sie sich bewegte, umso tiefer schnitt das Messer in ihr Gesicht. Der nun einsetzende, durchdringende Schmerz bereitete ihr Gewissheit, dass ihre Karriere als Fotomodel hier und jetzt ein jähes Ende nahm.
Nach zehn Minuten war von Ullis Haut auf ihrem Gesicht nichts mehr übrig. Wie im Wahn war das Messer immer wieder hineingestochen worden, bis es vom Knochen gestoppt worden war. Das weiße
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