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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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eintätowiert.
    »Schlechte Quote für deinen Typen«, sagte der alte Mann. »Ein harter Schnitt, doch zumindest hast du nicht wie unsere Freundin Dolly dein ganzes weiteres Leben auf ihn gewartet.«
    Adele rieb sich mit dem Handballen über die Nasenspitze, um die Anwandlung, weinen zu müssen, zurückzudrängen. »Nein, ich habe nicht gewartet. Jedoch habe ich ihn, ungestüm wie er war, nie vergessen und auch nicht die Gefühle, die er in mir ausgelöst hat, und ich habe ihm auch nie vergeben. Und wie kommst du darauf, ich hätte Charlie Wells gewollt, der immer auf das Falsche setzte? Warum musstest du die Beherrschung verlieren und diese Männer mit den Baseballschlägern herausfordern?«
    Wäre ich versucht gewesen, eine Erklärung zu finden, so wäre diese Frage das Fenster gewesen, aus dem ich hätte springen müssen. Stattdessen tat ich so, als sähe ich in den Spiegel, prüfte den Zustand meines Zahnfleischs und wäre über meinen stetig zurückweichenden Haaransatz beunruhigt. Keine Frage, ich wurde älter, und womöglich hatte Sita recht, wenn sie darauf beharrte, ich müsse endlich Schlüsse ziehen und Entscheidungen für mein Leben treffen. Andererseits blieb mir all die Zeit, die ich noch nicht verbraucht hatte. Was sollte die Eile?
    »Es macht mich wahnsinnig«, sagte Adele, »darüber nachzudenken, was hätte sein können und dass wir nicht einmal eine einzige Nacht zusammen verbracht haben. Wozu all die Tugend, wenn man sie letztlich bitter bereut? Ihr Männer hattet es so viel leichter …« Sie unterbrach sich plötzlich, und vor Enttäuschung bebend, schürzte sie die Lippen, kräuselte die Stirn, und ihr Gesicht wurde flammend rot. Irgendetwas, das vom Himmel fiel und auf das Dach schlug, ließ mich zusammenfahren. So wie bei Regen die ersten Tropfen aufklatschen, wurde das Trommeln schneller und verstärkte sich zu einem anhaltend lauten Getöse. Ich sah durch das winzige Fenster. Draußen hagelte es Baseball-Bälle. In verrückten Winkeln prallten die Bälle auf das Dach, und innerhalb weniger Minuten war der Boden von einer geschlossenen Schicht bedeckt.
    Über den Lärm hinweg versuchte der alte Mann Adele durch Winken und andere Gesten auf sich aufmerksam zu machen. »Du hast nicht viel verpasst.«
    Sie sah durch mich hindurch, als wäre ich aus Gaze, als wäre ich nichts, und auf diese Weise besänftigt, gebot sie dem Unwetter Einhalt. Der letzte Baseball fiel vom Dach und verschmolz mit den anderen. »Wie ein riesiger Eisbecher«, sagte Marie, und die anderen Frauen drängten sich um sie herum ans Fenster, um die weißen, mit Erdbeersauce gesprenkelten Hügel zu betrachten. Der alte Mann nutzte ihre Unaufmerksamkeit, um an meine Seite zu rücken und mir seinen Rat anzubieten.
    »Ein bisschen Reue wäre ganz schön. Ein äußeres Anzeichen für Bußfertigkeit. Sack und Asche.« Rasch erkannte er mein bodenloses Nichtverstehen. »Würde ich dein Hirn anbohren und einen Blick auf deine grauen Zellen werfen, meinst du, ich könnte dann in deinem Hippocampus leise die Ahnung einer Erkenntnis aufflackern sehen?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Genau.« Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Das habe ich mir gedacht. Dann erzähl mir deine Erinnerung an die Fischfrauen, und wie sie durch das Schlüsselloch hinausschwammen und entkamen.«
    »Ha, das ist ja sehr lustig. Mann, du hast ja eine lebhafte Fantasie.«
    Meine Bemerkung schien ihn zu amüsieren.
    »Sie sind hinausgegangen«, sagte ich. »Genau so, wie sie hereingekommen sind.«
    »Auf ihren Fischschwänzen?«
    »Hast du den Verstand verloren? Natürlich nicht auf Schwänzen, sondern auf ihren Beinen. Ich spähte durch das Schlüsselloch, als gerade eine von ihnen die Dusche aufdrehte, heißes, heißes Wasser, bis der ganze Raum unter Dampf stand und ich in diesem Dunst nichts mehr erkennen konnte.«
    »Es erstaunt mich, dass du nicht einfach hineingestürmt bist. Welche Vorstellung könnte denn wollüstiger sein als die einer Mädchenumkleide nach dem Duschen?«
    »So war es doch gar nicht«, log ich. Es war nur ein bisschen so, nicht ganz, aber doch irgendwie lüstern; das heißt, ich war interessiert genug, um angestrengt durch das Schlüsselloch zu lugen, aber als es im Raum zu dunstig wurde, bestand nicht mehr dasselbe Potenzial. »Ich habe wie ein perfekter Gentleman im Flur auf sie gewartet.«
    Das Kind sagte etwas, das wie »Quatsch mit Soße« klang, doch es hätten genauso gut bedeutungslose Silben sein können.

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