Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
Vom Netzwerk:
tatsächlich das Dunkel ins Licht, in einem Maße, dass ich meine Füße unter mir nicht mehr sehen konnte und meine Hände verschwanden, als ich die Arme ausstreckte. Jemand kicherte tief im Dunkeln und machte mir Mut, weiterzugehen. Ohne irgendetwas zu sehen, wankte ich vorwärts und folgte diesem bezaubernden Kichern.«
    »Ein Fall von ›Blond führt Blind‹«, sagte der alte Mann.
    Wieder wurde er zu seinem Missvergnügen mit kleinen Gegenständen beworfen. Mit Pillenschachteln und aus Hotels gestohlenen Haarshampoofläschchen und einem Rubbelschwamm. Sogar der Junge erfasste die Situation und stülpte seine Eiswaffel auf die nackten Zehen des alten Mannes. Als der spürte, wie kalt es war, stieß er einen Schrei aus und hüpfte zur Freude des Kindes auf einem Bein.
    »Je weiter ich vordrang, desto dunkler wurde es. Grundsätzlich mag ich ein dunkles Schlafzimmer, ganz besonders zum Schlafen, mit geschlossenen Fensterläden, um das Licht auszusperren, das immer durch jeden Spalt oder den winzigsten Ritz dringt, sodass selbst in einem dunklen Raum Abstufungen herrschen, verschiedene Schwarzschattierungen, wenn man so will, und nachdem sich die Augen angepasst haben, kann man zumindest plumpe Formen und Massen ausmachen. Aber das war der dunkelste Ort, an dem ich je war. Dunkler als ein Schrank in einer Dunkelkammer. Dunkler als eine Truhe im Schrank in der Dunkelkammer. Dunkler als ein versiegelter Behälter in der Truhe im Schrank …«
    »Ja, ja, sehr dunkel, ich hab’s begriffen«, sagte der alte Mann. Er rieb seinen Fuß mit einem Waschlappen ab.
    »In so einem Raum konnte ich nichts anderes tun, als ihren Atemgeräuschen folgen. Und die Arme nach vorne strecken, um nach Hindernissen zu tasten, und mich auf mein räumliches Gedächtnis verlassen, dass das Bett soundsoviele Schritte von der Tür entfernt ist und der Nachttisch links, wenn ich vor dem Bett stehe, aber diese Erinnerung erwies sich als falsch, denn ich ging lange Zeit weiter und weiter, bis eine Hand nach meinem Unterarm griff und mich unsanft aufs Bett zog, wo ich in einem Meer von Decken zusammensank. Ein Scheinwerfer flammte nahe des Fußendes des Betts auf, und dort saß oben auf einem Klavier eine der Barsängerinnen, prall in einem Lederbustier, die Beine in Netzstrümpfen, blutrote Lippen und eine Melone tief in die Stirn gezogen. Sie zwinkerte, und das Licht ging aus, nur um einige Schritte links von ihr wieder anzugehen. In diesem zweiten Scheinwerferlicht stand eine andere Frau in einem Kostüm aus Seifenblasen, durchsichtige Kugeln strategisch verteilt, und als die erste platzte, schwenkte das Licht zu der dritten Frau, die sich teilweise hinter einem Federfächer versteckte. Ein Bein, nackt bis zur Hüfte, wand sich vor ihren Fächer. Die vierte war eine Godiva, blondes Haar bis zum Hintern, auf dem Rücken einer weißen Stute, was mich sofort auf die Frage brachte, mithilfe welcher Logistik dieses Pferd wohl die Treppe überwunden hatte. Die fünfte war ein französisches Mädchen, das mit seinem Staubwedel und seinem Oh-là-là reizte. Die sechste war ein Starlet in einem schulterfreien, paillettenbesetzten Abendkleid, das nichts der Fantasie überließ. Die siebte war ganz in hautenges Leder gehüllt – sogar das Gesicht hinter einer Ledermaske verborgen – und schwang eine Peitsche. Sie ließ sie schnalzen, sodass ihre Spitze beinahe meine Spitze abschlug. Als das letzte Licht erlosch, umfing uns wieder die Schwärze, und das Bett stöhnte voller Erwartung.«
    Ich hielt inne, um mich im Badezimmer umzusehen, ob eine der Frauen unserem Gespräch lauschte, nicht, weil ich fürchtete, sie würden meiner Darstellung widersprechen, sondern weil mir blitzartig ihre Gefühle bewusst wurden und mir die Idee kam, dass es vielleicht nicht sehr galant sei, weitere Details zu verraten, insbesondere weil die Beteiligten in Hörweite waren. Zum Glück achtete niemand auf mich. Adele saß auf dem Badewannenrand, während Marie ihr französische Zöpfe ins Haar flocht. Flo, Alice und Dolly waren in einen Wettbewerb vertieft, wer von ihnen am schnellsten das Eis aus den abgebissenen Spitzen ihrer Eistüten schlürfen konnte. Jane stand mit dem Kleinen auf dem Arm am Waschbecken, wo sie mit kleinen Plastikseeschlangen (zumindest hoffe ich, dass sie aus Plastik waren) im Wasser spielten. Sogar der alte Mann wirkte teilnahmslos, doch kaum trafen sich unsere Blicke, grinste er und nickte. »Also, wie ist es, mit sieben Frauen gleichzeitig ins Bett

Weitere Kostenlose Bücher