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Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Donohue
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Keine Angst, der alte Chard beißt nicht.« Da er keine Zustimmung sah, stapfte er aus dem Wasser, packte sie am Handgelenk und zerrte sie über den Sand ins knietiefe Meer. Der Halbmond schien auf die Wellen, und sein Licht versilberte ihr Auf und Ab. Bei jedem seiner Atemzüge roch sie den Palmwein, als er ihr zuflüsterte: »Ich werde dir nicht wehtun, John Long.« Er drückte sie an sich, raffte ihr Haar mit seiner anderen Hand zusammen und entblößte ihren Nacken. »Ich hatte zu lange keinen Umgang mehr«, sagte er und presste seine Lippen auf ihren Hals. Sie zitterte unter seinem kraftvollen Zugriff und spürte, dass er steif wurde. »Es ist nicht unnatürlicher mit einem Jungen. Ich hab dich so lieb …«
    »Ich bin kein Junge«, sagte Jane, und der Wein pochte in ihren Schläfen. »Sondern eine Frau, die seit zwei langen Jahren dieses hier verbirgt.« Sie nahm seine Hand und führte sie zu ihrem geheimen Beweis, und ein breites Grinsen teilte seinen Bart.
    »Junge, Frau, was bist du?« Er liebkoste sie und sagte: »Umso besser, denn was wir jetzt tun …«
    Sie drückte ihren Mund auf seinen, damit er aufhörte zu reden und mit allem anderen begann.
    So war die Liebe im Müßiggang entstanden, und am nächsten Morgen und in den folgenden Wochen hielten sie das Ereignis geheim. Wann immer Gelegenheit war, schlichen sie fort von den anderen, um an finsteren Plätzen sich ihrer Leidenschaft füreinander hinzugeben, und wann immer die anderen in der Nähe waren, achteten sie darauf, sich das Mäntelchen vom Herrn und seinem Diener umzulegen. Zu Anfang hielt Jane Chard für janusköpfig und äußerst sprunghaft, doch rasch erkannte sie, dass er in Anwesenheit von Carter und Waters nur schauspielerte und bloß so tat, als behandelte er sie strenger als zuvor. Die bärbeißigen Kommandos, zu putzen, zu kochen oder etwas zu holen, waren nur sein Mittel, zu beweisen, dass zwischen ihnen nichts war, denn kaum kehrten die anderen beiden ihnen den Rücken, zwinkerte oder lächelte er ihr zu. Verschlungen in ihrem geheimen Eden gab er sich sehr betörend, wisperte ihr Liebesbotschaften zu, strich mit den Fingerspitzen über die Wölbung ihrer nackten Hüfte, gurrte wie eine Taube und legte wie ein kleiner verlorener Junge seinen buschigen Kopf auf ihre Brust. Je mehr Chard sie in ihrer Zweisamkeit mit Zärtlichkeiten verwöhnte, desto mehr brüllte er in Gegenwart der anderen wie ein Tyrann, und um die Wahrheit zu sagen, dieser Gegensatz fesselte sie und stärkte das Band ihrer Vertrautheit.
    So gewiss, wie jede gute Sache einmal zu Ende geht, konnte auch ihr Geheimnis nicht ewig währen. Jane und Edward glaubten sich ganz allein und lagen weit entfernt von ihrem Lagerplatz Seite an Seite nackt in der Sonne am Sandstrand, ihr Liebesspiel war beendet, und süße Müdigkeit hatte sie eingeholt. Mit geschlossenen Augen träumte Jane von ihrer Rettung, träumte, dass sie mit Chard nach Virginia segelte und ihn dort heiratete, um mit ihm eine Familie zu gründen. Doch plötzlich fiel ein Schatten auf ihre Leiber und erschreckte sie durch seine Frische. Als sie aufschaute, erkannte sie sofort, dass es ein Mann war, hinter dessen Kopf die Sonne einen Kranz bildete, und sie wusste seinen Namen nicht, bis er ihren aussprach. Auf der Suche nach Cahows war Waters zufällig auf sie gestoßen. »Bist du es, John?«, fragte er. »Long John Long?«
    Sie rollte sich zu einer Kugel zusammen, weil sie ihre Nacktheit verstecken und bedecken wollte. »Ich heiße Jane«, sagte sie, »und ich flehe Euch an, Sir, wendet Euren Blick ab.«
    »Täuschen mich meine Augen? Sapperlot, eine Frau, nicht wahr? Seit den Huren von Woolwich habe ich keine Frau mehr so gesehen.« Er bückte sich nach einer Muschel im Sand und warf sie auf Chard, den sie am Bein traf. »Und du, Edward, bist mir wie mein eigener Bruder, nur selbstsüchtiger. Wie lange hast du das schon für dich behalten, du räudiger Hund?«
    Chard setzte sich auf und schützte mit der Hand die Augen vor der Sonne. »Neid steht dir nicht, Robert.« Müde Resignation lag in seinen Worten und Gesten. »Setz deine Segel, Bruder, denn ich sehe, dein Großmast ist bereits aufgestellt. Was mein ist, ist auch dein. Dreh bei!«
    Es geschah so rasch, dass ihr nur noch Zeit blieb, einmal »Nein!« zu schreien, und schon war Waters über ihr. Unter dem stoßenden Mann liegend, drehte sie das Gesicht zu Mr. Chard, in der Hoffnung, er würde sie verteidigen, und musste entsetzt feststellen, dass er

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