Sommernachtsfrauen: Roman (German Edition)
die militärischen Dienste der Engländer, der Unterdrücker seines Landes, zu stellen, und deshalb sei er zu einer »Wildgans« geworden und nach Europa geflogen, erst nach Österreich und später nach Spanien. Hachard sagte: In einer Hinsicht ist er wie wir, auch er hat den Stiefelabsatz kennengelernt.
Der Master und die Mistress stritten oft über den Mann und darüber, ob die Spanier oder die Franzosen besser für New Orleans seien. In all meinen Jahren bei der Familie LaChance gab es wenig, das zu so viel Streit führte. Der Master war ein herzensguter Kerl; gib ihm zu essen und leg ihn ins Bett, und ihn bringt nichts aus der Ruhe. Wir können die Könige nicht wechseln, wie es uns gefällt, pflegte er zu sagen. Besser Erfolg und Wohlstand im Neuen Spanien, als sich nach dem alten Frankreich zu verzehren. Doch Madame verhielt sich wie der nombril du monde … «
»Wie sagen wir dazu?«, fragte der alte Mann.
Sie zuckte die Achseln und zeigte auf ihren Bauchnabel.
»Sagen wir, sie war der ›Mittelpunkt des Universums‹, für sie gab es nur Frankreich und sonst gar nichts. Sie sagte gerne: Was glaubt denn dieser O’Reilly, wer er ist, dieser große Esel aus Dublin. Ich musste bei ihren Worten mein Lachen verbergen, denn sie mochte es nicht, wenn wir zeigten, dass wir etwas verstanden.
Nachdem die Kreolen entmachtet waren, schickte O’Reilly viele dieser schwarzen Soldaten zurück nach Kuba, doch die Zurückgebliebenen machten sich jeden Morgen und jeden Abend mit einer Trommelparade und dem Spiel ihrer Pfeifen und Hörner bemerkbar. Viele Male marschierten die Truppen durch unsere Straße, und durch die Fenster sah man einen Drill, der schöner und feiner nicht hätte sein können. Und sie gingen daran, Arbeiterkolonnen zu überwachen, die die Dämme verstärkten, eine Brücke bauten und Holzstege anlegten, sodass die Menschen nun auf dem Trockenen gehen konnten, ohne ihren Kleidersaum durch Dreck und Schlamm ziehen zu müssen. Kurzum, der Gouverneur brachte einen Sinn für Disziplin mit, die der schönen Stadt bisher gefehlt hatte. Es tat so gut, zu erleben, dass die, denen wir so lang unterworfen waren, nun selbst Gesetz und Ordnung unterworfen wurden. Selbst für den Master gibt es einen Master, dem er gehorchen muss.«
Mit Ächzen und Stöhnen rückte der alte Mann seine Wirbel zurecht und richtete sich langsam aus der Hocke auf, bis er wieder aufrecht stand. Er hatte sich weit vorgebeugt, um den Teil der Geschichte zu lesen, das an der Hüfte begann und in jenes Problem der tieferen Regionen führte, wo die Worte in dem Dickicht verschwanden, das ihr Schambein bedeckte. Als er auf der Suche nach moralischer Unterstützung oder technischer Hilfestellung zu mir blickte, empfand ich Mitgefühl mit seiner delikaten Lage, doch ich konnte nicht mehr tun, als mit den Achseln zu zucken. Die Frauen im Raum boten auch keine Unterstützung an, sie schienen die Misslichkeit seiner Lage nicht wirklich zu verstehen. So wie sie in dieser Pause selbstvergessen miteinander schwatzten, hätten Dolly, Jane und Alice drei Schwestern sein können, die bei der Hochzeit der vierten Schwester ein unsichtbares Schild über die Braut geworfen haben und ihr dezent die Aufmerksamkeit, die sie auf sich zieht, verübeln und doch anerkennen, dass sie im Mittelpunkt des Interesses steht. Die Braut, das heißt Marie, verdrehte die Augen, als sie den Grund der Unentschlossenheit des alten Mannes erahnte.
» Zut de flûte! Du hast mich bis jetzt begafft und zum Objekt gemacht. Also reiß dich zusammen und lies weiter.« Sie streckte die Hand aus, ergriff ihn bei den Ohren und drückte ihn auf die Knie. Er schrie auf und unterwarf sich. Nachdem er mit einem langen Seufzer seine Gedanken geordnet hatte, las er ohne Zögern von den Hüften bis zu den Zehen weiter.
»Die größte Veränderung aber betraf den Code Noir – die rechtlichen Bestimmungen, mit denen die Franzosen Kontrolle über ihre Sklaven ausübten. O’Reilly, den die Grundsätze des spanischen Codes – Las Siete Partidas – und seine langjährige Erfahrung in Puerto Rico und Kuba leiteten, liberalisierte diese Regeln nach und nach. Wie bei allen anderen Bürgergesetzen, die unsere Lebenssituation verbesserten, erfuhren wir davon nur durch Hörensagen, doch selbst uns Sklaven wurden gerade rechtzeitig vier Dinge klar.
Erstens, er befreite den roten Mann. Weder Tchacta, Tanikas, Natchez noch irgendwelche anderen Indianer wurden versklavt …«
Dolly klatschte einmal
Weitere Kostenlose Bücher