Sommernachtsgeflüster
Tours?«
»Ein bisschen Kultur schlabbern und netten jungen Männern zuhören, die mir etwas über Cézanne erzählen.«
»Ich war Mist, was? Ich habe mehr über Cézanne vergessen, als die meisten dieser Leute jemals wussten, und ich bringe es nicht fertig, ihn interessant zu machen.«
»Und was die meisten Zuhörer über Cézanne wissen, könnte man auf einer Briefmarke unterbringen ...«
Er lächelte sie reuig an. »Sie sind eine boshafte, herzlose Frau, mir so die Wahrheit um die Ohren zu schlagen. Trinken Sie noch ein Bier.«
»Also ...«
Sie wollte gerade einwenden, dass Bier, Sonnenschein und Mittagszeit eine gefährliche Kombination seien, aber er kam ihr zuvor: »Erzählen Sie mir nicht, dass Sie eine Toilette brauchen, wenn Sie noch ein Bier trinken. Man könnte meinen, dieser Gerald versuche, seine Leute ans Töpfchen zu gewöhnen, so wichtig sind ihm Toiletten.«
»Sie werden wohl feststellen, dass er damit nicht allein steht.« Sie lächelte. »Es ist mein Grundsatz, nur mit Menschen zu reisen, die noch öfter austreten müssen als ich.«
»Na, dann haben Sie mit Tiger Tours die richtige Wahl getroffen. Was haben Sie sonst noch mit diesen Leuten gemein?«
»Ich bin zusammen mit Molly hier - der großen, gut aussehenden Frau.«
»Ach so.«
»Aber im Grunde sind die anderen auch ganz nett. Wer zu spießig oder zu festgefahren ist, der kommt nicht mit auf eine solche Reise.«
»Das würde ich nicht sagen. Ich habe letzte Woche für die Gruppe einer anderen Reisegesellschaft einen Vortrag gehalten. Die hatten eine Frau dabei, die dermaßen herrisch war, dass die anderen versuchten, den Busfahrer zu bestechen, sie einfach irgendwo stehen zu lassen.«
»Sie halten also öfter solche Vorträge?« Sie war überrascht, denn er war wirklich schlecht gewesen.
Er schüttelte den Kopf. »Man hat mir Ersatz für meine Auslagen und ein kleines Honorar angeboten; also habe ich die Gelegenheit genutzt, um hier in Südfrankreich ein Weilchen zu malen.«
»Sie sind also Künstler?«
»Jawohl. Und was treiben Sie selbst so?«
Er wollte offensichtlich nicht mehr von seiner Arbeit preisgeben. Unglücklicherweise hatte sie keine große Lust, über ihre Tätigkeit als Vermieterin zu reden und auch nicht darüber, dass sie einmal Fotografin gewesen war. »Einen Vorteil hat es, mit pensionierten Leuten zu reisen: Man wird normalerweise nie gefragt, welchem Beruf man nachgeht, weil die meisten einfach gar nichts mehr machen.«
»War das ein Korb?«, fragte er.
»Nein, keineswegs. Ich will Sie nur nicht langweilen.«
»Ich bin mir sicher, dazu wären Sie gar nicht in der Lage, selbst wenn Sie es wollten. Ich dagegen beherrsche diese Kunst aus dem Effeff. Ich habe gesehen, dass Sie während meines Vortrags eingenickt sind.«
Thea lachte. »Ich bin hundemüde. Molly schnarcht wie ein Bär.«
»Und ich bin ein lausiger Redner - aber das wollen wir nicht noch einmal aufwärmen. Als Maler bin ich viel besser.«
»Freut mich zu hören.«
Er runzelte die Stirn. »Zur Strafe für diese unfreundliche Bemerkung werden Sie mir erzählen, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen.«
»Okay, aber hier kommt Ihr Lunch.«
»Deux bières, garçon, s'il vous plaît.« Er nahm Messer und Gabel zur Hand. »Also?«
Thea lehnte sich zurück. »Ich vermiete Zimmer an Studenten und arbeite als Teilzeitkraft bei einem Fotografen.«
Wieder runzelte er die Stirn. »Sie sind doch nicht etwa diese sprichwörtliche Pensionswirtin, oder?«
»Was ist die sprichwörtliche Pensionswirtin‹? Eine Nora Batty? Vierschrötig, mit verschränkten Armen? Bis neun müssen alle aus dem Haus sein, und hinein dürfen sie erst wieder zum Tee mit steinernen Plätzchen um fünf?«
»Seien Sie nicht zynisch. Sie wissen, was ich meine. Sie sind zu jung für eine Pensionswirtin mit Teilzeitjob.«
»Niemand passt ganz genau in das Schema, wissen Sie? Und ich mag die jungen Leute.«
»Und die Teilzeitarbeit bei dem Fotografen? Sie haben da doch eine ordentliche Kamera. Sie sollten selbst fotografieren, nicht die Fotos anderer in Tüten stecken.«
Sie warf einen Blick auf ihre Leica M4. Gebraucht gekauft für fünfzehnhundert Pfund. Ihr Lieblingsstück.»Ja.«
»Sie verschweigen mir etwas.«
»Warum auch nicht? Ich binde meine Geschichte nicht jedem auf die Nase, wissen Sie?«
»Ich werde Ihnen meine Geschichte erzählen, wenn Sie mir Ihre erzählen.«
Er schenkte ihr die Art von Lächeln, die ein widerstrebendes Erwachen in der Region ihrer
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