Sommernachtsschrei
hip, fand ich.
»Nee«, antwortete ich knapp. »Wir treten auf einer Gartenparty auf, da komm ich doch nicht im Abendkleid!« Ich hasste es, wenn sich meine Eltern darüber äußerten, was ich anziehen sollte. Und dann auch noch ausgerechnet meine Mutter, die überhaupt keinen Geschmack hatte!
Ich nahm mein Rad und fuhr los. Es war ein warmer Juniabend. In den Gärten wurde gegrillt und an der Bushaltestelle standen noch Wanderer, die von ihrem Tagesausflug zurück nach Prien oder sonst wohin wollten.
Ich war gut gelaunt und auf den Abend und die Leute gespannt, obwohl ich auch ein bisschen Angst davor hatte.
Als ich in die Einfahrt radelte, sah ich schon die Vorboten: Nur dicke Autos. Mercedes, Jaguar, BMW, Lexus. Und plötzlich kam ich mir mit meinen Jeans und meinem Fahrrad ziemlich schäbig vor.
»Hi, Ziska!« Hinter mir stieg Maya aus dem schwarzen Mercedes ihrer Mutter und warf die Tür zu.
»Aber…« Weiter kam ich nicht.
»Was? Ach so?« Sie sah an sich herunter und zuckte die Schultern. »Gefällt es dir? Ich hatte einfach Lust dazu!«
Ihr schwarzes Kleid endete kurz über den Knien und hatte einen ziemlich tiefen Ausschnitt. Sicher das Neueste von D&G oder irgendeinem anderen tollen Designer. Sie stakste auf ihren hohen Absätzen über den Kies auf den Eingang zu. »He, was ist?«
»Wir wollten uns doch anziehen wie immer beim Konzert!«
»Ach komm, sieh das doch nicht so eng! Ziska, du siehst toll aus, echt!«
Ich glaubte ihr nicht. Aber sollte ich mich nur wegen dieses blöden Kleids jetzt verdrücken?
»He, da seid ihr ja! Los, kommt rein!« Leonie stand in der Tür. Sie trug ein grünes Kleid und ihr Haar war ziemlich aufgestylt.
»Wieso habt ihr mir nicht gesagt, dass ihr euch so anzieht?«
»Ach, Ziska! Ist doch kein Problem! Willst du was von mir haben?«, bot Leonie an.
Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich wollte mir kein Kleid von Leonie leihen.
»Kommt, der Catering-Service hat im Garten schon alles aufgebaut!« Leonie führte uns durchs Wohnzimmer, wo Grüppchen von distinguierten Leuten herumstanden, die affektiert kicherten oder gekünstelte Ausrufe von sich gaben. Und über allem schwebte eine dicke, schwere Parfümwolke.
Was tue ich eigentlich hier?, schoss es mir durch den Kopf. In dem Moment stand eine Frau vor uns und Leonie stellte mich als Ziska vor. Sie sah aus wie Leonie, nur war sie größer und viel dünner. Um ihren Mund zuckte es dauernd, als wäre sie nervös oder hätte eine Krankheit.
»Ach, du bist das Mädchen von der Tankstelle?« Sie lächelte süßlich, während sie mich von oben bis unten musterte. Ich spürte, dass sie mich verachtete, mich, meine Klamotten – und meine Eltern. Da sagte sie auch schon zu Leonie: »Wollt ihr nicht noch kurz oben in deinem Kleiderschrank stöbern? Du hast doch sicher was Passendes für deine Freundin.«
»Ich fühl mich wohl, danke!«, brachte ich tatsächlich heraus und staunte über mich selbst.
Zum Glück kam wenigstens Vivian noch in normalen Klamotten, obwohl sie natürlich ihre fette Rolex und ihre endlos teure Lederjacke trug.
Ich spürte die Blicke der Leute, als ich mich durch den Raum bewegte, um nach draußen in den Garten zu gehen. Ich spürte, dass auch Leonie, Maya und Vivian insgeheim auf mich herabblickten. Es war so erniedrigend.
Als wir dann auftraten, merkte ich, wie meine Stimme von diesem Ort wegwollte. Und ich fragte mich, warum ich nicht gleich nach Hause gegangen war.
Nach vier Songs, die mir endlos lange vorkamen, stiegen wir von der Bühne und Maya, Leonie und Vivian wurden gleich von den Freunden ihrer Eltern umringt. Mich streiften sie nur mit falschen Blicken. Ich fühlte mich so verdammt unwohl – dagegen war der Schulhof das reinste Zuckerschlecken. Ich nippte ein paarmal an dem Sektglas, dessen Inhalt wahrscheinlich so viel wert war wie unser gesamtes Küchenmobiliar, dann verschwand ich auf die Toilette.
Als ich kurz darauf zurückkam und mich von den dreien verabschiedete, waren sie überrascht, aber niemand versuchte, mich zu überreden, noch länger zu bleiben.
An der Haustür lief Nadia mir über den Weg. Sie war genauso aufgestylt wie ihre Schwester, wie alle hier. Sie grinste schief und sagte dann leise zu mir: »Na, gefällt’s dir etwa nicht unter all diesen reizenden Menschen?«
Ich erwiderte nichts.
»Und sie alle helfen einander, wo sie nur können! Dad hat gerade einen neuen Bauauftrag gekriegt, meine Mum hat mit Kommissar Winter geflirtet und darf ihren
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