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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Traktoren. Es hat sich einfach so ergeben zwischen Claude und Nicole. Nette Musik, bisschen romantische Stimmung, beide allein… Jedenfalls war Niederreiter wohl schneller wieder zurück und wollte vorm Schlafengehen noch ein Bierchen kippen.«
    »Und dann hat er Claude zusammengeschlagen, als er die beiden gesehen hat?«
    Benjamin schüttelt den Kopf. »Nein. Claude hat Niederreiter fertiggemacht. Aber erst, nachdem dieser ganz schön grob zu Nicole geworden ist.«
    Ich denke nach, verstehe aber immer noch nicht, was das mit Maurice und mir und dem Bootshaus zu tun hat. »Aber…?«, fange ich an.
    »Franz Niederreiter hat am Ende Rache geschworen. Hat so was zu Claude gesagt wie Dich mach ich noch fertig, wart’s nur ab!«
    Ich zucke die Schultern. »So was würde wahrscheinlich jeder in so einer Situation sagen.«
    Benjamin holt Luft. »Jetzt kommt’s. Ich war heute bei Nicole im Nagelstudio. Sie und Franz Niederreiter waren nach dem Streit zwar wieder zusammen, aber nun hat sie sich endgültig von ihm getrennt. Und weißt du, was sie mir gesagt hat?«
    »Dass Niederreiter ein grober Kerl ist«, antworte ich. Was soll sie sonst wohl gesagt haben?
    »Nein, das heißt, ja, das auch. Sie war echt ganz schön sauer auf den Typen. Aber was viel wichtiger ist: Sie hat mir erzählt, dass Niederreiter in der Nacht der Sommerparty nicht bei ihr war. Sie hat ihm das Alibi nur gegeben, weil er sie auf Knien darum angefleht hat.«
    Einen winzigen Moment regt sich Hoffnung in mir, doch dann weiß ich, dass das Unsinn ist. »Ist doch klar, Niederreiter wollte einfach erst gar keinen Verdacht aufkommen lassen. Ihn hätten doch alle gern als Täter gesehen! Und außerdem: Wenn Niederreiter nicht bei Nicole war, muss er deswegen noch lange nicht auf der Sommerparty oder im Bootshaus gewesen sein. Und überhaupt: Niederreiter hatte Streit mit Claude und nicht mit Maurice. Und was ist überhaupt mit deiner Version, die du mir das letzte Mal anbieten wolltest – dass Claude auf Maurice gewartet hat?« Meine Stimme ist sarkastisch geworden, aber Benjamin scheint es nicht zu bemerken.
    Aufgeregt fährt er sich durchs Haar. »Also, was, wenn Niederreiter mit Claude abrechnen wollte, er ihn aber mit Maurice verwechselt hat? Ich hab gehört, dass die Brüder sich ziemlich ähnlich gesehen haben sollen. Und so im Dunkeln…?«
    Ja, sie sahen sich ähnlich. Sehr sogar. Aber sind das nicht alles nur theoretische Hirngespinste? Trotzdem merke ich, wie ich begierig die Fäden aufnehme, die Benjamin gerade gesponnen hat. »Niederreiter hat also vor dem Bootshaus gewartet«, fange ich an, »hat ein paar Joints geraucht und ist dann rein und hat Maurice erschlagen, weil er glaubte, es sei Claude?« Die Variante klingt verlockend, aber ebenso unwahrscheinlich.
    »Warum nicht?«
    »Und was hat er mit mir gemacht?«, will ich wissen.
    »Na ja, er hatte was getrunken, gekifft, da hat er wahrscheinlich nicht mehr so genau getroffen und Kollateralschäden in Kauf genommen.«
    »Ich war ein… ein Kollateralschaden?«
    Er nickt und lächelt entschuldigend.
    Eine Weile denke ich ernsthaft über das alles nach. Könnte es nicht tatsächlich so abgelaufen sein? Doch dann fällt mir die wichtigste Frage ein: »Wieso bist du eigentlich so sicher, dass ich es nicht gewesen bin?«
    Benjamin hebt die Schultern, lässt sie wieder fallen. »Ist einfach so. Ich kann’s mir nicht vorstellen.« Er versucht zu lächeln.
    Ich bin gerührt, ja, aber das alles klingt doch eher nach einer Wunschvorstellung als nach der Realität.
    »Und wenn ich es doch war? Wie siehst du mich dann?«, will ich wissen.
    Er zögert, dann sagt er: »Wie jemand, dem ein Unfall das ganze Leben kaputt gemacht hat – und der für den Rest seines Lebens irgendwie damit klarkommen muss.«
    Ja, die Tat gehört zu mir. Auch noch in zehn oder zwanzig Jahren. Bis zum Ende meines Lebens wird sie mich verfolgen. Ich hebe meinen Blick und sehe Benjamin direkt an. Nein, ich kann in seinem Gesicht kein aufgesetztes Mitleid erkennen, wie bei so vielen anderen, auch keine Sensationslust. »Ich hätte nicht herkommen dürfen«, murmle ich. »Jetzt ziehe ich dich da auch noch mit rein.« Ich meine, was ich sage. Selten ist mir jemand so vorurteilsfrei gegenübergetreten wie Benjamin…
    »Nein, Franziska!«, er schüttelt den Kopf. »Es war richtig. Es beweist, dass du dir nicht sicher bist. Dass es anders gewesen sein kann…«
    »Und wenn es aber doch nicht anders ist? Was dann?« Wieder gewinnen die

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