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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Führerschein behalten, obwohl sie mal wieder ganz gut angesäuselt gefahren ist, und Leonie bleibt nicht sitzen, hat der Schuldirektor gerade meinen Eltern versprochen.« Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Schade, dass du nicht dazugehörst, Ziska. Das Leben kann so schön und einfach sein!«

29
    Und wenn Benjamin recht hat, dass Winter die Ermittlungen schlampig geführt hat, weil… weil jemand anders geschützt werden sollte? Claude?
    Ich streife durch die Straßen, versuche, klar zu denken und mir zu überlegen, was ich als Nächstes tun soll. Es ist inzwischen längst später Nachmittag und heiß und schwül, meine Kleider kleben auf meiner Haut, der Gurt meiner Reisetasche schneidet in meinen Nacken und ich habe Durst und fühle mich gerädert.
    Mit jeder Minute, die ich durch Kinding laufe, wird das Gefühl stärker, dass ich es nicht gewesen bin. Niederreiter, Claude… all die Namen und Möglichkeiten schwirren mir unaufhörlich durch den Kopf wie ein aufgescheuchter Vogelschwarm. Ich merke gar nicht, wo meine Beine mich hintragen, doch plötzlich stehe ich vor der XS-Bar, die noch geschlossen hat. Unschlüssig bleibe ich vorm Eingang stehen. Und wie von selbst setzen sich meine Gedanken von vorhin wieder in Gang.
    Die Bar hat erst vor einem Monat aufgemacht. Die Karte, die Leonie in ihrer Schatulle hatte, sah genauso aus wie das Neonschild, das gerade schräg über meinem Kopf baumelt. Und XS-Bar stand auch auf der Karte, das weiß ich genau. War es eine Karte, die man nur dort bekam, also so eine kostenlose Werbekarte? Oder war es Zufall, dass es dasselbe Motiv war? Oder war die XS-Bar vielleicht eine Kette und die Bar gab es auch in München…
    Plötzlich tut sich was hinter den Scheiben. Eine junge Frau stellt die Stühle, die vom Putzen noch auf den Tischen sind, zurück auf den Boden. Schließlich öffnet sie die Fenster, um frische Luft in die Räume zu lassen.
    Entschlossen spreche ich sie an. »Entschuldigen Sie bitte!«
    Überrascht hält die junge Frau inne, dann lächelt sie mich freundlich an. »Ja?«
    »Die XS-Bar … also, ist das eine Kette oder gibt es die nur hier in Kinding?« Ich merke, wie mein Herz schneller schlägt.
    Die Frau guckt ein wenig verwirrt, dann fängt sie an zu lachen. »Eine Kette? Nein! Hier war früher ein Getränkehandel. Berger. Der ist in München in die Kneipenszene eingestiegen. Wollte was Großes aufziehen«, sie verdreht die Augen, »na ja… wie auch immer. Ich hab schon immer davon geträumt, ’nen eigenen Laden zu schmeißen. Na, wie findest du’s?« Sie macht eine Handbewegung, die den gesamten Innenraum einschließt – eine lange Theke, viele Barhocker, ein paar wenige Ledersessel, die um kleine Glastischchen herumstehen, und in der Mitte des Raumes eine Palme in einem riesigen Kübel. »Ist noch ein bisschen improvisiert, aber war allein meine Idee. Na ja, der Laden läuft zwar erst seit einem Monat, aber bisher kann ich mich nicht beschweren.«
    Ich nicke ihr lächelnd zu, auch wenn ich das Gefühl habe, dass mein Gesicht zu einer Maske erstarrt ist. Ich wünsche der Barbesitzerin murmelnd einen schönen Abend und will weiter, da ruft sie: »Warte! Damit du bisschen Werbung machen kannst!« Sie drückt mir einen Stapel Postkarten in die Hand.
    Ich starre erst die Postkarten, dann die Frau an.
    »Gefällt sie dir? Ich hab zehntausend drucken lassen, schließlich sollen auch ein paar Leute aus München hierherkommen. Aber bisher hab ich noch keine Zeit gehabt, viele zu verteilen.«
    »Sie ist schön, ja«, höre ich mich mit einer fremden Stimme sagen. Stocksteif halte ich ihr den Stapel entgegen. »Aber tut mir leid, ich bin nicht von hier.«
    »Okay, hier, nimm wenigstens eine für dich mit.« Mechanisch greife ich nach der Karte, die sie mir zusteckt.
    »Wiedersehen«, murmle ich, drehe mich um und stolpere benommen davon.
    In meinem Kopf vermischen sich alle Gedanken zu einem unverständlichen Geschrei, aus dem plötzlich eine einzige Frage ganz deutlich hörbar wird.
    Wie konnte Maurice diese Karte schon vor einem Jahr Leonie schicken – wenn es die Karten doch höchstens erst seit ein, zwei Monaten gab…?
    Ich musste die Postkarte noch mal sehen. Unbedingt. Aber Leonie hat sie vor meinen Augen zerrissen. Vielleicht lagen die Schnipsel ja noch im Papierkorb… Bei ihrer Unordnung war es gut möglich, dass sie sogar noch auf dem Teppich lagen.
    Ich muss zu Leonie, denke ich. Tolle Idee. Ich würde also klingeln und sagen: »He, Leonie,

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