Sommernachtszauber (German Edition)
mit Ben verbringen wirst. Einfach grässlich. Und ich muss hier sein. So, so …«
»So – was?«
»Hilflos«, gab Johannes mit vor Zorn hartem Kiefer zu. »So verdammt hilflos. Ich kann dir nur das Dach des
Bimah
bieten und die Lichter der Stadt.«
»Das ist alles, was ich will! Mehr brauche ich nicht. Bitte, glaub mir!«
»Wie denn?«
»Ich verbringe doch sowieso schon den ganzen Tag mit ihm«, sagte Caroline patziger, als sie es wollte. Nun übertrieb Johannes, fand sie und drehte den Kopf von ihm weg. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das hatte sie nun davon, dem Rat ihrer Mutter zu folgen und ehrlich zu sein. Am besten hätte sie die Klappe gehalten.
Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß,
hatte ihr Teufelchen geflüstert. Aber nein. Johannes anlügen, das hätte sie nicht gekonnt und gewollt. Dann riskierte sie lieber einen Streit.
»Das tust du unter meinen Augen. Das ist etwas anderes«, sagte er.
»Jimmy Controletti«, fuhr sie ihn an und schob den Teller weg. Sie hatte keinen Appetit mehr und Johannes hatte sich seinen Teller sowieso nur zur Deko belegt. Caroline schnitt es ins Herz, aber sie sagte dennoch trotzig: »Wenn ich niemanden mehr sehen kann, den du nicht auch siehst, dann ist der Kreis meiner Freunde sehr schnell beschränkt!«
»Caroline! Wie kannst du das sagen«, keuchte Johannes.
Er rückte verletzt noch ein Stück weiter von ihr weg. Alles an ihm drückte Ablehnung aus. Ihre Worte sprangen hässlich wie Kröten aus ihrem Mund und schmerzten sie ebenso, wie sie ihn schmerzen mussten. Aber aus einem verrückten Grund konnte sie ihren Mund nicht halten. Es war wie ein Sog, der sie gepackt hatte und in einen Abgrund zog.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Aber nun wollte und konnte sie nicht mehr nachgeben. Johannes musste ihr die Freiheit zugestehen, mit Ben zu dieser Feier zu gehen. Sprach
er
denn nicht immer von Vertrauen? Sie ging auf die Knie, rutschte zu ihm und schlang ihre Arme um seinen Hals. Er jedoch saß wie festgefroren.
»Verzeih«, flüsterte sie. »Das war wirklich gemein. Aber du denkst anscheinend, du kannst mir alles sagen, und ich muss es hinnehmen. So ist das nicht. Ich bin kein Sandsack fürs Box-Training. Und wenn ich mit Ben am Freitagabend zu diesem Fest gehe, dann tue ich das dem
Bimah
und unserem Stück zuliebe. Ich denke dabei nicht an mich und es hat mit uns nichts zu tun.«
Er sah sie stumm an. »Und ich denke nur an dich.« Dann vergrub er sein Gesicht in seinen Händen. »Ich bin kein – wie sagst du – Jimmy Controletti. Auch wenn ich eifersüchtig bin …« Sein Körper löste sich, hin zu ihr. Er schlang einen Arm um ihre Mitte und vergrub seinen Kopf an ihrer Brust.
Caroline lehnte ihre Stirn an seine Haare. Wie immer, wenn sie ihm im Schein des Geisterlichts so nahe war, flossen ihre Seelen ineinander. Und genau dieses Gefühl war es, das sie an ihn band. Unauflöslich. Im Feuer dieser Lampe zu einem neuen Sein geschmiedet – ja, das waren sie.
»Was ist es dann? Sag mir, was dich so traurig macht«, flüsterte sie.
Er schüttelte leicht den Kopf. »Ich habe solche Angst, Caroline.«
»Angst? Aber wovor?« Ihr Ärger verflog. Sein Duft berauschte sie, und als er noch immer nicht aufsah, küsste sie erst seine Haare, ehe sie ihre Finger zwischen die seinen flocht.
»Genau davor, Caroline: dass ich nicht mehr an mich selbst denke.«
»Und? Was ist daran so schlimm?« Sie musste leise und erleichtert lachen. »Dummkopf. Das ist doch schön …«
Er schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht, Caroline.«
»Was verstehe ich nicht?« Sie legte ihre Hände wieder um seinen Hals, aber lehnte sich zurück, um ihn besser sehen zu können. Der Abstand schien sie ihm nur noch näher zu bringen. Sie wollte mit ihm verwachsen und Wurzeln schlagen, genau wie Philemon und Baucis, die Liebenden der griechischen Sage, die im Tod zu Bäumen wurden und erblühten.
»Als …« Er legte instinktiv seine Hand vor seine Wunde und ihr Herz krampfte sich zusammen. War jetzt der Augenblick gekommen, auf den sie so lange gewartet hatte? Würde Johannes sich ihr nun offenbaren? Und konnte sie mit dieser Wahrheit umgehen?
Ihre Finger folgten sanft den seinen, und sie hielt den Atem an, als sie die Wunde zum ersten Mal wirklich berührte.
Er keuchte leise auf, und sie wollte ihre Hand schon zurückziehen, als er flüsterte: »Judiths Fluch …«
»Was genau hat sie gesagt?«, fragte Caroline heiser. Was hatte Johannes getan, dass Judith ihn so
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