Sommernachtszauber (German Edition)
schien.
Caroline schluchzte ein letztes Mal auf und stürmte durch das Foyer hinaus auf die Straße.
Die Gaslaternen brannten mit einem leisen Surren in der Sommernacht, und der Penner, der sich bereits zusammengerollt hatte, hob den Kopf.
»Schwerer Abschied?«, fragte er leise und mitfühlend.
»Ach. Halt die Klappe!«, fuhr Caroline ihn an und rannte mit klappernden Sohlen die Straße hinunter, hinein in die Berliner Nacht.
»Sie müssen lächeln, Caroline. Ein Lächeln ist das beste Accessoire einer Frau. Das sagte zumindest Mademoiselle Chanel«, nuschelte die Schneiderin, denn sie hatte den Mund voller Nadeln, als sie die mit Kristallen besticken Lagen von altrosa Seiden-Chiffon über Carolines Busen anhob, um sie über den Schultern straffer festzustecken.
»Ich versuche es ja«, flüsterte Caroline, doch ihr Spiegelbild sah ihr aus dem mannshohen Spiegel im ersten Stock über dem Chanel-Laden auf dem Ku’damm genauso traurig entgegen wie zuvor. Lächeln. Das konnte sie seit drei Tagen nicht mehr.
Vor drei Tagen war sie zu nächtlicher Stunde aus dem
Bimah
gelaufen und hatte seitdem einen Stein in ihrer Brust. Fühlte es sich so an, was Johannes seit vielen, vielen Jahren erlitt? Sie lebte, aber fühlte sich wie tot.
Johannes.
Wie hatten sie sich so streiten können? Wo war er nun? Weshalb kam er nicht wieder zu ihr, damit sie sich versöhnen konnten?
Seit dem verhängnisvollen Abend ging sie jeden Morgen mit klopfendem Herzen zu den letzten Proben vor dem Stichtag, doch sie spürte seine Anwesenheit nicht. Nirgends. Er war fort. Verbarg sich vor ihr, war unzugänglich. Hatte sie aus seinem Königreich, in dem sie so gerne Prinzessin gewesen war, verbannt.
Sie biss sich auf die Lippen. Hätte sie doch die Klappe gehalten. Ihre Augen füllten sich mit Tränen bei der Erinnerung an den Anblick, den er so allein auf der Bühne geboten hatte. Er hatte wie eine Statue gewirkt, als er ihr weder nachgesehen noch etwas unternommen hatte. Weshalb nicht? Bedeutete sie ihm so wenig? Oder hatte sie ihn zu sehr verletzt? Weshalb hatte sie ihm all diese schrecklichen Dinge an den Kopf geworfen? Aber sie hatte nichts anderes denken können …
»Bitte. Versuchen Sie es. Ach herrje, bitte nicht auf das Kleid weinen! Die Flecken gehen aus der Seide nicht mehr raus!«, flehte die Frau, nahm sich die Nadeln aus dem Mund und wischte Carolines Augenwinkel rasch mit einem Kleenex sauber.
»Ich versuche es ja«, flüsterte Caroline wieder und hob versuchsweise beide Mundwinkel. Umsonst. Ihre Lippen fühlten sich an wie mit Blei gefüllt. Grässlich. Sie würde nie wieder lächeln können.
»Alles klar, Caro?«, fragte Mia von hinten und setzte sich auf. Bisher hatte sie nur in der Ecke des Ateliers in einem barocken Sesselchen gefläzt und mit einem Strohhalm an einer
Bionade
gesaugt. Ziemlich laut sogar.
»Alles klar. Das sind nur die Nerven«, versicherte Caroline schnell.
»Bist du sicher? Oder hattest du Streit mit – jemandem? Jemand
Bestimmten?
« Mia sah sie vielsagend an und zog fragend die Augenbrauen hoch.
Caroline schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, ganz bestimmt nicht. Wirklich, ich bin nur aufgeregt. Schließlich hängt von den nächsten 24 Stunden so viel ab.«
»Allerdings.
Make or Break.
Ich kann verstehen, wenn deine Nerven blank liegen.«
Caroline warf ihr eine Kusshand zu. Es tat gut, die Freundin hier zu haben. »Danke, dass du das organisiert hast, Mia«, sagte sie und zwang sich zu einem unbeschwerteren Tonfall. »Das Kleid ist wunderschön!« Sie griff in den Rock, der sich leicht wie Schaum anfühlte und ließ ihn dann wieder zu Boden fallen. Das Kleid umfloss sie. Mia nickte fachmännisch.
»Allerdings. Ein Traum. Griechische Göttin trifft Marilyn Monroe. Wenn ich daran denke, dass du ein weißes T-Shirt zum langen H&M-Rock anziehen wolltest!!! Aber dank nicht mir, sondern meiner Mutter. Sie hat für dich angerufen, als ich ihr von Ben und dem
Bambi
erzählt habe. Ich glaube, sie leiht sich hier selbst oft Kleider für Premieren und so’n Zeug.«
»Du klingst mürrisch.«
Mia zuckte mit ihren schmalen Schultern. »Ich bin nur müde«, sagte sie und sah auf ihre Uhr. »Wir stehen alle unter Druck, Caro. Ich muss jetzt noch ins
Bimah
und vielleicht die Nacht durcharbeiten, während du neben Ben auf dem roten Teppich stolzierst. Sonst wird niemals alles bis morgen Abend fertig. Ich habe von Carlos gehört, dass Mickey Hansen schon mal vor der Aufführung einen Spähgang abhalten will.
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