Sommernachtszauber (German Edition)
sie ihn flüstern.
Ich bin immer da.
Sie sah noch einmal zu dem Mönch Lorenzo, ehe dieser ganz verschwand:
»Gib Liebe, Kraft mir! Kraft wird Hilfe leihen.«
Wenn da nur Johannes stünde und ihr vom Geisterlicht aus zusah. Die funzelige kleine Lampe brannte am Eingang zur Bühne. Plötzlich wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass er nicht hier war, weder auf der Bühne noch im Saal. Sie war allein mit allem, was geschehen würde. Er wollte sie nicht sehen. Sie zwang die Tränen zurück. Es war unerträglich. Sie hatte mit ihren ungestümen Worten ihre Liebe getötet.
»Lebt wohl, mein teurer Pater!«,
rief sie und hastete in die entgegengesetzte Richtung. Beide gingen ab.
Alle Schauspieler zogen schweigend und mit gesenkten Köpfen auf die Bühne. Um Ben und Caroline herum gingen sie in die Knie. Der Prinz von Verona hob die Arme:
»Nur düstern Frieden bringt uns dieser Morgen;
die Sonne scheint, verhüllt vor Weh zu weilen.
Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen.
Ich will dann Strafen oder Gnad erteilen.
Denn niemals gab es ein so herbes Los,
als Juliens und Romeos.«
Die Beleuchtung wurde schwächer, bis nur noch das Geisterlicht im Dunkel glühte. Sein Schein zog Caroline an wie eine Motte. Sie spürte das altbekannte Fieber durch ihre Adern fließen, doch sie beherrschte sich. Caroline hörte die Schritte des Ensembles. Sie waren bereit, Ben und ihr die Bühne zu überlassen.
Dann war alles still. Nach ein, zwei Atemzügen völliger Dunkelheit gingen die Lichter im ganzen Saal an. Eine große Müdigkeit erfüllte sie und ihre Glieder waren schwer wie Blei. Die Generalprobe war vorbei. Sie öffnete langsam, hoffnungsvoll die Augen.
Johannes.
War er da?
Nein.
Stattdessen stand Carlos aufrecht in der Mitte des Theaters, das in dieser Woche neu bestuhlt worden war. Er stand, erst mit verschränkten Armen, und löste seine Hände, hob sie und begann zu klatschen: langsam und laut.
»Das war unglaublich. Ich habe Gänsehaut. Bravo! Bravo, alle. Und ihr wisst, dass ich selten Bravo sage. Ich bin beeindruckt. Was ihr in vier Wochen auf die Beine gestellt habt, ist irre. Alle! Kostüm und Schminke sind
spot-on.
Ben, jugendlicher Liebhaber
par excellence.
Caroline –«
Er zögerte und sie straffte sich. Sie war bereit für sein Urteil, das gut oder schlecht ausfallen konnte.
»Caroline. Wenn du das morgen nur halb so gut machst, dann haben wir gewonnen. Wo hast du nur diese Tiefe, die Intensität her? Ich habe vor fünf Wochen eine junge, schüchterne Frau eingestellt. Aber du hast es in dir, das habe ich gleich gesehen. Eben warst du Leidenschaft pur. Deine Liebe, dein Leiden. Du wandelst dich! Du bist Julia …« Er brach ab und schüttelte den Kopf. »Klasse. Einfach klasse. So was hab ich noch nie erlebt.«
»Danke«, murmelte Caroline und senkte den Kopf. Sie hatte keine Kraft mehr. Wie sollte sie die Zeit bis zur Premiere mitsamt dieser verdammten
Bambi-
Verleihung durchstehen, wenn Johannes sie nie mehr wiedersehen wollte? Was hatte er ihr noch sagen wollen, als sie ihm das Wort abgeschnitten hatte? Sie hatte ihn nicht angehört. War
das
Vertrauen, von dem sie gesprochen hatte? Die Scham trieb ihr die Röte in die Wangen.
»Bist du bereit?«, fragte Ben fürsorglich.
»Zum Aussteigen? Ja.« Caroline löste ihren Gurt auf dem Rücksitz des dunklen Mercedes, der sie beide eine Viertelstunde zuvor am
Bimah
abgeholt hatte. Das Innere des Autos duftete nach neuem Leder und der Übelkeit erregenden Vanille eines am Rückspiegel baumelnden Wunderbaums.
»Mehr als aussteigen, Caroline. Wenn du das noch nie erlebt hast, kannst du dir nicht vorstellen, wie das ist. Da draußen warten jede Menge Fotografen. Die Blitzlichter sind wie Maschinengewehre. Du musst dich wappnen. Du musst vorbereitet sein. Dein Kleid, deine Schminke und dein Schmuck sind wie eine Rüstung. Augen auf, lächeln, Bauch einziehen, Brust raus und durch. Gib ihnen und dir Zeit, aber absolute Haltung ist angesagt. Du kannst das, okay?« Er lächelte sie ermutigend an und sie nickte.
»Okay. Danke«, sagte Caroline mit belegter Stimme und reckte den Hals: Der Wagen hatte vor einem langen roten Teppich angehalten. Gerade drehten sich darauf zwei andere Berühmtheiten: rechts, links, noch einmal stehen bleiben, damit die Kameras auch keine mögliche Schokoladenseite verpassten. Die Rufe der Fotografen wie auch das hektische Klicken ihrer Apparate und das stete Feuern ihrer Blitzlichter erschreckten Caroline, obwohl sie noch im
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