Sommernachtszauber (German Edition)
Wer weiß, wann sie kommt.«
»Ach, Mia! Das klingt so bitter. Du hast so was wie diesen
Bambi-
Abend schon so oft gemacht. Gönn mir das.«
Mia stützte das Kinn in die Hände und zog die Augenbrauen hoch. »Hab ich das? Wann denn?«
»Sorry«, sagte Caroline zur Schneiderin, die gerade niederkniete und den Rock legte, auf den Näherinnen in Paris ebenfalls zahllose winzige Sterne aus Swarowski-Kristallen angebracht hatten. Sie lief barfuß zu Mia, ging neben ihr in die Knie und zwang sie, sie anzusehen. Der Ausdruck von den hellen grauen Augen ihrer Freundin war undeutbar. Caroline schüttelte sie ein wenig.
»Hey, Mia. Wir machen das hier zusammen, oder etwa nicht? Wenn ich auf die
Bambi-
Verleihung gehe, dann haben wir
alle
was davon. Und wenn du heute Abend und morgen früh noch malochst, dann nutzt es uns
allen!
Eine für zwei, zwei für eine, das war immer unser Spruch.
Romeo und Julia
ist – fantastisch! Es ist der Beginn von etwas ganz Neuem in unseren Leben! Etwas Großem, Wunderschönem!«
Mia sah Caroline nachdenklich an und stellte dann ihre klebrige Bionade-Flasche auf das goldfarbene Parkett. Dann stand sie auf und zog sich die Lederjacke über ihr knielanges Shirtkleid. Draußen war ein grauer und überraschend kühler erster Septembertag. Mia schlug den Kragen hoch und sah auf Caroline hinab, die noch immer auf dem Boden kniete. Mia lächelte kurz, ohne dass es ihre Augen erreichte.
»Wenn du das sagst, dann muss es wohl stimmen. Ich gehe jetzt, Caroline. Bis dann im
Bimah,
okay? Generalprobe ist um drei und ich muss noch mal bei MAC vorbei und dann alle Kostüme aufbügeln und dämpfen.«
Mit diesen Worten zog sie ihr iPhone aus der Tasche und prüfte es. Eine Nachricht darauf ließ sie grinsen. Caroline runzelte die Stirn. Sie stand auf und trat zu Mia.
»Hoffentlich nicht von Karl Graf?«
»Nein, nein. Ganz im Gegenteil«, sagte Mia geheimnisvoll und steckte rasch ihr Handy weg.
»Ist das jetzt aus mit ihm?«
»Nein, ist es nicht«, sagte Mia trotzig.
Caroline seufzte. »Mia! Steht er denn zu dir?«
Mia grinste. »Er steht wie eine Eins, immer wenn ich ihn sehe. Oder immer wenn er
mich
sieht.«
Caroline verzog das Gesicht. »Du bist vulgär.«
»Ja. Muss auch mal sein. Und es macht mir Spaß. Es kann nicht jeder das pure, tiefe Glück erleben wie du.«
»So habe ich das nicht gemeint«, wehrte Caroline schwach ab. »Außerdem tue ich das gar nicht.«
Mia zuckte die Achseln. »Wie dem auch sei. Bis nachher, Prinzessin. Wenn ich zu spät komme, zieht mir Carlos die Hammelbeine lang.«
Sie küsste Caroline wie zur Wiedergutmachung links und rechts auf die Wange und lief die Treppen hinunter.
»Kommen Sie jetzt bitte wieder vor den Spiegel«, sagte die Schneiderin. »Wenn alles bis heute Abend fertig sein soll, muss ich mich beeilen. Wir liefern es zu Ihnen ins Theater, ja?«
Caroline nickte stumm und die Frau rückte ihr die Schultern gerade. »Haltung. Sonst nützt auch das schönste Couture-Kleid nichts. Gehen Sie auf die Zehenspitzen. So … ja. Wunderbar. Ihre Freundin hat recht. Sie sehen wirklich aus wie eine Prinzessin, Caroline. Wie im Traum.«
Caroline blinzelte. Im Spiegel verschwamm ihr Ebenbild in einem Tränenschleier vor ihren Augen.
Wie eine Prinzessin.
Vor wenigen Wochen war sie noch ein Super-Aschenputtel gewesen, das in der U-Bahn nach dem Debakel an der Volksbühne beinahe geheult hätte. Heute Abend wartete eine Kutsche auf sie, die sie zum Ball brachte. Nur mit dem falschen Prinzen drin! Caroline hatte einen Kloß im Hals. Solange das
Bimah
vor Menschen wimmelte, so kurz vor der Premiere morgen, hatte sie keine Chance, Johannes zu sehen. Wo hielt er sich verborgen? Auf dem Dachboden? Wie sollte sie die Premiere ohne ihn durchstehen? Der Gedanke schlug mit Eispickeln in ihre Seele.
Die Schneiderin steckte ihre letzten Nadeln weg. »Versuchen Sie noch einmal zu lächeln. Wenn schon nicht mir, dann Mademoiselle Chanel und dem Wunder ihrer Kreationen zuliebe!« Sie löste die Haken und Bänder des Oberteils, das um die Taille eng wie ein Korsett geschnitten war.
»Ich versuche es später. Aber ich weine nicht auf dem roten Teppich, versprochen!«
Der Obdachlose im Eingang sah nicht auf, als Caroline das
Bimah
betrat, und auch sie würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen überprüfte sie zum tausendsten Mal an jenem Tag ihr Handy, ob sie eine neue SMS bekommen hatte. Wie doof, schimpfte sie dann mit sich selbst. Ständige Verfügbarkeit – was nützte das,
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