Sommernachtszauber (German Edition)
Tage. Wir sind für immer zusammen.«
Er lächelte schwach. Hatte sie vergessen, was er ihr gesagt hatte? Je mehr er sie liebte, umso näher kam er seiner Freiheit – und umso näher rückte ihr Ende. Oder hatte sie es vergessen wollen?
»Für immer«, flüsterte er dennoch und er sah Tränen in ihren Augen schimmern. Auch sie wusste, was ihre Liebe bedeutete. Sie lebten die schönste Lüge der Welt; ihre eigene, vollkommene Wahrheit.
»Ich habe dir nicht vertraut. Ich habe dir nicht zugehört.«
»Nein, es war meine Schuld! Komm«, flüsterte er. »Komm mit mir.«
Sie lächelte und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Bis ans Ende unserer Zeit.«
Sie wusste es also doch: Das las er in ihrem Blick. Er nahm sie in den Arm, als sei sie leicht wie eine Feder, und hob sie hoch. Sie schmiegte sich an ihn, als er flüsterte: »Komm, wir fliegen!«
Nur einen Atemzug später legte er sie behutsam auf die Kissen und Decken, die er auf dem Dachboden unter dem zerfetzten Segel des
Fliegenden Holländers
ausgebreitet hatte. Durch die Löcher im Stoff konnte man ihre Dachluke, die hoch auf die Ziegel des
Bimah
führte, erkennen. Caroline zeigte nach oben. Ihr nackter Arm wuchs aus dem feinen Chiffon direkt in den Himmel. Er küsste die zarte Haut ihrer Achselhöhle und sie seufzte.
»Sieh mal, die Lichter von Berlin. Machen sie dir noch immer Angst, weil sie dich an deinen Onkel und deine erste und letzte Nacht auf der Bühne erinnern?«, fragte sie leise und fuhr ihm durch seine dichten Haare. Er schloss die Augen und genoss die Zärtlichkeit: ihre Fingerkuppen, die sein Gesicht erforschten und erfassten.
Er schüttelte den Kopf.
Sein Onkel und die letzte und erste Nacht auf der Bühne des
Fasanentheaters.
Dies waren andere Lichter über einer mittlerweile anderen Stadt.
»Johannes?«, fragte sie. Sein Name klang fest, doch ihre Stimme zitterte.
»Ja?« Er wusste, was nun kam. Und er war bereit dazu. Endlich bereit.
»Vor drei Tagen habe ich dich nicht sprechen lassen. Sag mir jetzt, was du mir sagen wolltest. Ich muss es wissen. Was wir haben, ist so wertvoll. Nicht so eine blöde Geschichte, wie Mia mit ihrem Agenten …«
»Was hat sie denn mit ihrem Agenten?«, fragte er. Caroline drehte sich auf ihre Seite und sah ihn an.
»Eine Affäre, nur Sex, er ist mit einer anderen Frau zusammen. Ausgerechnet mit der Frau, die Carlos hasst und die das
Bimah
am liebsten schon morgen geschlossen sehen will.«
Er sah sie erstaunt an. »Wer ist das?«
»Ihr Name ist Mickey Hansen. Eine tolle Frau, eine richtige Erscheinung mit wilden roten Locken. Aber sie hasst Carlos und findet, dass Berlin nicht noch ein Theater braucht …«
Er legte ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen und Caroline verstummte. Mias Affären interessierten ihn jetzt nicht. Und über diese Frau, die das
Bimah
nicht mochte, konnte er später noch mehr hören. Oder irgendwann.
»Komm, leg dich ganz zu mir«, flüsterte er, zog sie auf die Kissen und schob seinen Arm unter ihren Kopf, ehe er über sie beide eine Decke aus Fuchsfellen aus dem Fundus für
Eugen Onegin
breitete.
»Hörst du mir zu?«, fragte er leise.
»Ja. Auch wenn ich Angst habe.«
»Das ist jetzt nicht wichtig, Caroline.
Wir
können die Angst besiegen. Ich muss mit dir sprechen. Ich kann nicht länger schweigen, sonst frisst es uns auf. Ich muss dir sagen, was passiert ist …«
Nun sah sie ihn an und in ihren Augen spiegelte sich groß und glänzend der Mond. Sie biss sich auf die Lippen, ehe sie die richtigen Worte fand. »Sag mir alles. Du musst mich nicht schonen. Auch wenn es sehr schlimm war, Johannes. Ich liebe dich. Ich LIEBE dich. Ich bin auf deiner Seite …« Ihre Stimme verebbte, und er drückte sie an sich, während er nach Worten suchte. Ihr Duft raubte ihm den Verstand, und Johannes schwieg, so wie er damals geschwiegen hatte.
Caroline hatte ja keine Ahnung: Mit Georg Steiner hatte ein Gehilfe des Teufels bei ihm in der Garderobe gesessen, eine Mann und Mensch gewordene Drohung. Jemand, der wie Caroline in Frieden und Freiheit aufgewachsen war, konnte sich nicht vorstellen, welche Macht Menschen wie Georg in dieser Zeit gehabt hatten! Außerdem hatte
der liebe Onkel Georg
genau gewusst, wie er ihn zu nehmen hatte. Die Erinnerung an seinen Hass auf seinen Onkel erstickte ihn fast. Manche Gefühle vergingen nie, sondern wurden immer nur noch stärker.
Georg Steiner hatte damals leichthin gefragt: »Also, Johannes, sind wir uns einig? Kann ich mich auf dich
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