Sommernachtszauber (German Edition)
vorbei und parkte dann mit quietschenden Reifen halb auf dem Bordstein. Sie schlug die Tür mit Wucht hinter sich zu und versuchte, sich zu fassen, als sie sich kurz gegen ihren kleinen Wagen lehnte. So beleidigt hatte sie noch nie jemand. Sie zitterte noch immer, als sie ihre Tasche schulterte. Verdammt, sie hatte noch so viel zu tun und eigentlich nur Lust, sich einen Gin Tonic zu mischen, der einen Russen flach zu Boden schicken würde. Vielleicht ließ sich ja beides vereinbaren. Was Carlos nicht weiß, macht ihn nicht heiß.
Als sie die Tür zum
Bimah
öffnen wollte, wurde diese von innen aufgestoßen. Mia schrie vor Schreck auf und wich zurück – schließlich war es weit nach Mitternacht!
Kein Wunder, Geisterstunde, dachte sie sarkastisch, als Caroline vor ihr stand. Bingo! Die hatte ihr gerade noch gefehlt. Dann aber stockte Mia und musterte ihre Freundin überrascht.
Es war eine Caroline, wie sie sie noch nie gesehen hatte: mit glänzenden Augen, glühenden Wangen und einem verklärten Lächeln auf den Lippen. Sie trug noch immer die Haute-Couture-Robe von
Chanel,
doch hatte sich eine alte Tweedjacke um die Schultern gehängt, die wie aus dem Theaterfundus wirkte, wenn es den am
Bimah
gäbe. Ihr plötzlicher Hass gegen ihre frühere Freundin erstickte Mia beinahe.
»Hi, Caro«, sagte sie mit Mühe. »Hast du noch geprobt?«
Caroline nickte und umarmte Mia plötzlich. »Ich bin so glücklich. Die glücklichste Frau der Welt. Mia! Das Leben ist so schön …«
Mia krallte ihre Hand in den Riemen ihrer Tasche. Gleich explodierte sie. Ach ja? Erzähl doch mehr davon, Caroline!
»Was ist denn passiert? Hast du deinen Liebsten gesehen?«, fragte sie mit mühsam kontrollierter Stimme.
»Ach, es ist wunderbar.« Caroline schüttelte den Kopf. »Aber jetzt muss ich gehen. Vielleicht kann ich dir bald alles erzählen. Was musst du noch erledigen?«
»Allerhand«, sagte Mia knapp, während ihre Gedanken sich überschlugen. »Die Stühle für die Ehrengäste beschriften und so Zeugs.« Dann fasste sie sich etwas. »Aber du geh jetzt schlafen. Julia mit Augenringen kommt nicht gut!«
Caroline küsste sie auf beide Wangen und sagte dann: »Mach ich. Aber warte mal –« Sie zog fünf Euro aus ihrem Geldbeutel und legte sie dem schlafenden Penner in seinen Hut.
»Bist du irre?«
»Das ist nur eine kleine Wiedergutmachung. Er weiß schon, wofür. Bis morgen, Mia!«
Mia nickte nur und sah Caroline nach, wie sie wie eine Vision aus wirbelndem altrosa Chiffon durch die nächtliche, stille Fasanenstraße davonrannte. In Mia brannte es. Alles fügte sich zu einem Bild zusammen, das durch Carolines Glück und ihre eigene Demütigung vervollständigt wurde.
In diesem Augenblick hob der Penner den Kopf und sah Caroline ebenfalls nach.
»Nicht mehr lange«, murmelte er dann vor sich hin. »Nicht mehr lange.«
»Recht hast du«, murmelte Mia zwischen zusammengebissenen Zähnen und stieß die Tür auf.
Mia hatte den letzten Namen an der vordersten Reihe Klappstühle angebracht und hielt es einfach nicht mehr aus. Etwas war heute Nacht anders hier im
Bimah,
ohne dass sie genau sagen konnte, was. Sie konnte nicht anders, als immer wieder zum Geisterlicht zu sehen. Es glühte seltsam hell. Mia sah die Leuchte an. Wenn man Ben glauben konnte, dann hatte dieser Geist hier mit Caroline Tango getanzt. Natürlich, denn das Licht gab ja den Geistern des Theaters Kraft. War er hier?
Sie fuhr herum. Nichts. Mia ballte die Fäuste, auch sie war müde. Vielleicht hatte sie selber schon Hirngespinste. Sie überprüfte ihre Arbeit noch einmal, damit Carlos ihr nicht morgen vor versammelter Mannschaft den Kopf wusch.
Mickey Hansens Name stand mit Gold in Mias schönster Schreibschrift auf einer Karte, die an einem Stuhl erste Reihe Mitte, mit bestem Blick auf die Bühne, klebte. Direkt neben dem Kultursenator. Am liebsten hätte sie ihr eine Bombe unter den Stuhl gelegt. Aber nein, sie waren ja Verbündete – gewesen! Hatten sie noch immer ein gemeinsames Ziel? Mia würgte. Vielleicht saß Mickey jetzt daheim und Karl tätschelte ihr den Bauch, während seine Liebste ihre tollen Erlebnisse von der
Bambi-
Verleihung tweetete. Es war doch zum Kotzen. Gerade hatte der Vater von Mickeys Kind noch seine Zunge zwischen ihren Schenkeln gehabt. Ihr wurde wieder kalt vor Wut. Nein, Mickey sollte ihre Arbeit, Carlos, das
Bimah
und Caroline ruhig zerstören. Dazu war sie ihr gerade noch gut genug!
Sie legte Papier und Stift auf die Bühne
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