Sommernachtszauber (German Edition)
neuen Tränen lachen, denn die Gefühle schwappten in ihr über. Doch Johannes ließ sich nicht unterbrechen.
»Julia, der verwöhnte Fratz, geht ganz selbstverständlich davon aus, dass er sie nicht ausnutzen und verletzen, sondern dass er sie als Ehrenmann heiraten wird. Und er gibt ihren Forderungen ohne lange Diskussion nach.
Was
genau ist Liebe für Julia, Caroline? Eine Herausforderung? Etwas, das ihr entflieht, oder etwas, das ihr zusteht? Ein hehres Gut oder mit einem Fingerschnippen zu gewinnen? Die Antwort wird dich überraschen.«
Sie zuckte trotzig mit den Schultern. »Wie kommst du auf das alles?«, fragte sie, als sie sich über die Wangen wischte.
»Gelernt ist gelernt. Max Reinhardt nimmt nur die Besten. Oder eigentlich nur die Allerbesten.«
»Wie bescheiden.«
»Ich weiß. Einer meiner vielen Fehler, für die ich heute bezahle. Ich wollte immer alles zugleich und noch mehr.«
Johannes kniete jetzt neben ihr und fasste sie an der Schulter. Wieder sah sie seine starken Hände, aber spürte nichts von ihrem Griff. Ihr Herzschlag stockte.
Ich bin immer da
, hatte er gesagt. Johannes ignorierte ihren Schrecken, obwohl er die Gänsehaut auf ihren nackten Armen sehen musste. Er sprach einfach weiter.
»Du hast keine richtige Vorstellung von der Person, die du jetzt sein musst. Das ist das Problem. Du willst laufen und kannst noch nicht mal krabbeln. Außerdem versuchst du nicht mal, diese Julia zu verstehen, denn ihr Leben ist von deinem hier völlig verschieden. Aber was das Publikum sehen und bejubeln will, ist, wie du diese Julia eroberst und sie zu deiner machst, verstehst du? Nichts anderes.«
Sie nickte.
»Nick nicht, wenn du es nicht fühlst«, sagte er streng. »Julia ist absolut. Begreifst du eigentlich, was sie für Romeo aufgeben will? Alles. Was war denn in jenen Tagen eine junge Frau ohne ihre Familie und ihren gesellschaftlichen Rang? Sie vertraut sich ihm vollkommen an. Ihm! Was kann er ihr denn bieten? Glaubst du etwa, Romeo könnte mit irgendwas Geld verdienen? Und Julia. Vielleicht kann sie Kreuzstich sticken und eine Heerschar von Bediensteten herumscheuchen. Aber sonst? Was kann sie, um ein Auskommen zu haben? Kochen? Putzen? Lesen? Schreiben? Nein. Nichts von alldem. Beide wählen dennoch die Freiheit. Oder eben die Vogelfreiheit und den Hungertod, denn alle Rückkehr ist ihnen versperrt. Sei es aus Wahnsinn oder …«
»Oder?«
»Oder aus Liebe«, sagte er leise.
Eine neue Gänsehaut überzog Carolines Arme. Sie straffte die Schultern und riss sich zusammen.
Er ließ sie plötzlich los und ging wieder auf Abstand.
»Ich werde es versuchen«, sagte sie, ihre Stimme voll unterdrückter Wut. Woher nahm er das Recht, so mit ihr zu sprechen? Es wirkte fast, als könne er sie nicht leiden. Weshalb sonst putzte er sie so herunter? Trotzdem spürte sie, dass es nötig war. Er wusste offensichtlich, wovon er sprach. Sie rappelte sich auf. »Also los.«
Er grinste, aber ging wieder auf Abstand.
»Schon besser. Wut über die eigenen, vermeidbaren Fehler ist der erste Schritt zur Besserung. Wir machen das immer wieder, bis es sitzt. Von jetzt an jeden Abend. Hier.«
»Aber ich bin müde. Oder eher zum Umfallen erschöpft.«
Er schüttelte den Kopf. »Das gilt nicht. Willst du es oder willst du es nicht?«
»Ich will es.«
»Dann will ich Einsatz sehen. Echten Einsatz.«
»Wie kommst du dazu, so mit mir zu sprechen!«, fuhr sie auf.
»Vertraust du mir?«, fragte er schlicht.
Ein Wimpernschlag lang Zögern. Sie fand keine Antwort auf seine Frage.
Er seufzte. »Wie auch immer. Du bist nicht müde. Und du musst akzeptieren, dass ich dir die Meinung sage. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Reiß dich verdammt noch mal zusammen. Hier geht es um die Wurst.«
Sie lachte plötzlich. Lachte und lachte, schrill und albern vor Erschöpfung, bis sie sich krümmte und sich den Bauch hielt. Er beobachtete sie stumm, bis er die Arme in die Hüften stemmte und sie fragte: »Warum lachst du?«
»Weil das so ein altmodischer Ausdruck ist, wie ich ihn lange nicht mehr gehört habe.
Jetzt geht es um die Wurst …
«
»Ach ja?«
»Ja«, sagte sie und wischte sich die Augen. »Ja.«
Plötzlich musste er auch lachen. »Das kann schon sein. Ich habe schon lange mit niemanden mehr gesprochen, Caroline.«
Ihr blieb das Lachen im Hals stecken. Er stand zwischen ihr und dem Geisterlicht. Kurz drehte er sich nach der Lampe um und machte dann einen Schritt auf sie zu. Sie schloss kurz die
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