Sommernachtszauber (German Edition)
verschimmelt und von Motten zerfressen. Also war es auch nicht schade darum.
»Nein. Carlos wollte sie in Weiß und Rot, um ihre Unschuld und gleichzeitig die Macht ihrer Verführung hervorzuheben«, sagte Mia betont gleichgültig. »Aber ihr Kleid ist ein Geheimnis.« Sie zeigte auf einen dunklen Kleidersack, der ganz hinten am Gestell hing. »Carlos will es als Überraschung, um echte Reaktionen auf der Bühne zu haben. Sie wird es nicht mal zur Generalprobe tragen. Schließlich sieht Romeo sie und ist sofort verliebt. Unsterblich sogar.«
Mia sah Ben abwartend an. Eigentlich wollte sie über was ganz anderes sprechen als Caroline und ihr Kleid. Weshalb hatte er nicht angerufen? Sie hatte ihm doch nach dem Vorsprechen ihre Nummer gegeben? Das war ihr noch nie passiert. Sonst schlugen sich die Typen um ihre Nummer. Sogar hier in der Garderobe schien er Abstand von ihr zu halten. Oder machte er das absichtlich, um Beruf und Privates nicht zu vermischen?
Da könnte sich Karl Graf eine Scheibe von abschneiden, dachte sie und biss sich auf die Lippen, als sie an ihr erstes Treffen in Karls Büro dachte. Er hatte gemacht, worauf er gerade Lust hatte, ohne sie groß zu fragen. Das war in dem Moment erregend gewesen, doch hier, wenn Ben ihr nahe war, wollte sie nicht an Karl und seine Spielchen denken. Ihr Magen verknotete sich bei der Erinnerung daran. Hoffentlich erfuhr das nie jemand. Er hatte sie irgendwie benutzt. Nein, nicht nur irgendwie. Er hatte sie benutzt.
»Hm. Weiß und Rot. Das steht ihr sicher gut zu ihrem dunklen Haar und ihrem Teint«, sagte Ben dann, ehe er vorsichtig fragte: »Mia?«
»Ja?« Sie sah erwartungsvoll auf. Ihr Herzschlag stolperte, und sie klammerte sich so fest an die Stuhllehne, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Jetzt. Jetzt! Er würde sie fragen, ob sie nach den Proben noch was trinken gehen konnten. Oder ob sie am Wochenende mit zum See wollte. Karl konnte sie dann verschieben. Selbst in den langweiligen Tiergarten würde sie mit Ben van Behrens gerne gehen! Mit ihm war sogar Panda gucken lustig. Oder auch die Sockenabteilung im KaDeWe, ganz egal. Er war einfach zum Aufessen, alles an ihm. Jetzt wirkte er eher verlegen. Wie süß!
Mia schob den Busen etwas nach vorn. Das sollte ihm den letzten Anstoß geben, mehr Hilfestellung war nicht drin.
»Also … Ich würde Caroline gerne auch mal außerhalb des Theaters sehen. Aber irgendwie komme ich nicht an sie ran. Sie hat immer zu tun und wirkt entweder sehr konzentriert oder mit den Gedanken komplett woanders. Vielleicht ist es ihr unangenehm, so im Theater … und dann noch mit ihrem Partner von der Bühne … Ich meine, kannst du mir ihre Telefonnummer geben? Dann kann ich sie mal abends nach der Probe anrufen. Vielleicht habe ich dann mehr Erfolg.«
Mia schluckte schwer. Ihr Kopf wurde heiß und sie fasste die Stuhllehne noch fester. Carolines Nummer! Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Ben blickte sie abwartend an. Und sah dabei auch noch so süß aus! Wer konnte ihm schon irgendetwas abschlagen oder ihm widerstehen? Die Antwort war klar, dachte Mia bitter: Caroline konnte es anscheinend. Was sie für ihn natürlich umso interessanter machte …
»Hast du sie nicht selbst danach gefragt?« Ihre Stimme klang so belegt wie nach drei Wochen Bronchitis. Ben schien davon nichts zu bemerken, sondern fuhr sich mit den Fingern durch das dichte kupferfarbene Haar.
»Doch, habe ich. Aber sie hat gerade ihr Handy gewechselt und kannte die neue Nummer noch nicht auswendig.«
Da lachten ja die Hühner! Caroline hatte ihr Handy nicht gewechselt, seit sie sich an der Schule kennengelernt hatten! Für solche Schneckedenzchen fehlte ihr das Geld. Nein , sagte Caroline zu Ben:
Nein, ich will dir meine Nummer nicht geben
, dachte Mia, und er checkte es nicht.
In ihr stieg eine siedende Hitze auf, die ihr Bauch und Kehle verbrannte. Sie schluckte. Es schmeckte wie zehn Liter Galle. Caroline war schon die
Julia
. Und nun wollte auch noch Ben Carolines Nummer haben! Ausgerechnet!
Sie musterte Ben unter gesenkten Wimpern. Er sah sie nur freundlich abwartend an. Wie konnte man so gut aussehen und gleichzeitig so naiv sein? Mia rang nach Luft. Womit hatte sie das verdient? Ein Wunder, dass Männer noch geradeaus durch die Welt laufen konnten, ohne sich ständig die Birne anzustoßen, so blind und doof, wie sie waren.
»Alles klar?«, fragte er nun doch.
Sie nickte schnell und lächelte süß, während es ihr den Atem abschnürte. »Ja, ja.
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