Sommernachtszauber (German Edition)
antun?
Sie gab Mord in die Suchbox ein. Dann erschienen die Ergebnisse: Der erste Link war Wikipedia. Eine Definition … Caroline legte sich die Hände auf die nackten Oberarme, ehe sie las: Mord steht allgemein für ein vorsätzliches Tötungsdelikt, dem gesellschaftlich ein besonderer Unwert zugeschrieben wird .
Sie blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ein vorsätzliches Tötungsdelikt … Hm. Das beantwortete nicht ihre Frage nach dem Weshalb ? Mit gerunzelter Stirn gab sie den nächsten Suchbegriff ein.
Die häufigsten Gründe für Mord . Ihre Finger glitten wie von selbst über die Tastatur. Sie wartete wieder und überflog dann Links, Artikel und auch wissenschaftliche Abhandlungen, bis ihr der Kopf schwirrte.
Die häufigsten Gründe für Mord , lautete der Titel eines Links, der zu einem Artikel führte. Sie begann zu lesen und begriff: Als Schauspielerin war ihr keiner davon neu. Alle Beweggründe kamen in berühmten Stücken immer wieder vor.
Neid. Sie dachte an Kain und Abel und an Macbeth. Neid und, damit verbunden, Rachsucht. Die Gänsehaut wollte nicht von ihren Armen verschwinden, im Gegenteil, sie breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus.
Was noch? Sie zwang sich, es sich einzugestehen: Eifersucht natürlich. Fass nicht an, was mein ist. Gib nicht auf, was uns so viel bedeutet hat . Hallo, Othello! Dabei hatte sie doch selbst in ihrem Semester-Abschlussstück die Desdemona gegeben. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Nach welchen Gründen musste sie noch suchen? Letztendlich hieß lieben doch immer auch leiden, oder etwa nicht? Wie sie als Julia ja wirklich wissen sollte.
Sie las weiter und sah auf ein Bild, das den Artikel begleitete. Julia, die auf dem Boden der Gruft der Capulets kniete, ihre langen blonden Haare umflossen sie und sie hatte den Dolch zum Stich gegen sich selbst erhoben. Den Dolch zum Stich erhoben …
Caroline stockte der Atem. Johannes war doch Romeo, für immer seit dem Abend seines Todes. Lag darin die Antwort auf ihre Frage? Caroline musste schlucken. Tausend Proben hin oder her – alles Spiel änderte nichts an der schockierenden Realität eines Messers, das in lebendiges Fleisch, in einen atmenden Körper schnitt. Der Gedanke allein war schon zu erschreckend, als dass sie ihn zu denken wagte.
Was musste jemand tun, dass man dieses Tabu durchbrach? Mord. Ein Messer, das nach dem ersten Stich vielleicht eine ganz eigene Dynamik entwickelte, einen eigenen Willen, der groß, stark, gefährlich und unbezähmbar war.
»Willst du noch was trinken?«, fragte die Bedienung des Cafés. Caroline zuckte zusammen.
Die Kellnerin warf einen vielsagenden Blick auf die Wartenden in Carolines Rücken. Oh Mann, konnten die nicht woanders hingehen?
»Nein. Ich bin schon fertig. Oder gleich«, sagte sie und sah noch einmal auf den Bildschirm. Neid. Rachsucht. Waren das Motive, die Johannes zum Verhängnis geworden waren? Nein. Sonst könnte er es ihr sagen. Der Grund musste woanders und tiefer liegen. In ihm.
Eifersucht. Lieben heißt Leiden. Was war nur geschehen? Wer hatte ihn geliebt und wen hatte er geliebt? Nicht genug geliebt? Oder – zu viel? Romeo und Julia. Aber eine andere Julia als sie. Der Gedanke gefiel ihr nicht. Er schnitt in die Brust.
Caroline ging in den letzten Sonnenstrahlen des Berliner Tages zum Bimah , wo Johannes auf sie wartete. Allein der Gedanke an ihn ließ ihre Schritte schneller werden. Er würde, er musste ihr sagen, was geschehen war. Wie sonst konnte er Vertrauen von ihr fordern?
»Wer hat das gemacht? So eine Unverschämtheit!!« Mias Stimme gellte durch den Gang vor den Garderoben, als Caroline, Ben und die anderen gerade von der Bühne kamen, um eine Pause einzulegen.
»Meine ganze teure goldene MAC Augenpaste. Ich hatte zwei Tuben davon gekauft! Eine kostet 20 Euro, verdammt noch mal!«, fauchte sie und Simone drängte sich an den Schauspielern vorbei. Auch sie sah mit gerunzelter Stirn auf das leere Make-up, das Mia anklagend hochhielt.
»Schöner Mist. Dann müssen wir eben neue kaufen. Wir brauchen die Schminke für den Ball bei den Capulets und etwas Billigeres tut es nicht.«
»Aber wer macht so was? Und wozu?«, fragte Mia und stockte, als sie sich zu Carolines Garderobentür umdrehte.
»Ach! Seht ihr auch, was ich sehe?«, fragte sie dann. Alle schauten zur Tür – auch Caroline, die spürte, wie sie brennend rot wurde. Auf dem dunklen Holz war dick und golden ein Stern gemalt, fünfzackig wie ein Drudenfuß und
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