Sommernachtszauber (German Edition)
darunter stand mit derselben Paste Caroline Star gekritzelt. Mia und Simone drehten sich in seltener Übereinstimmung zu ihr um und sahen sie anklagend an.
»Mia, das war ich nicht!«, sagte sie, obwohl sie sich ein Lächeln verkneifen musste.
»Wer dann?«, fragte Simone, ihre heute roten Augenbrauen fragend hochgezogen.
»Ich weiß es nicht. Jemand, der mich hochnehmen will?«, vermutete sie. Oder jemand, der ganz, ganz fest an sie glaubte und ihr Mut machen wollte . »Ich würde doch nie selber so etwas an meine Tür schreiben.«
»Stimmt«, entschied Simone. »Also, Mia. Sei nicht sauer. Die 40 Euro kann ich bewilligen. Das geht eben auf Kosten von Carolines geheimem Bewunderer. In meinen Büchern muss ich das als Fan-Etat abbuchen …« Sie zuckte humorvoll mit den Schultern.
Mia warf sowohl Caroline als auch Ben einen trotzigen Blick zu. »Warst du das?«, fragte sie ihn dann noch.
Mia drehte sich um, doch selbst ihr Gang drückte ihre Empörung aus.
»Die soll sich mal wieder einkriegen. Ist doch nur Lidschatten«, sagte Ben.
Caroline holte sich ihre Jeansjacke aus der Garderobe und zog sie rasch über. Als sie den großen, so wunderschön golden schimmernden Stern wieder an ihrer Tür leuchten sah, erlaubte sie sich das Lächeln, das sie sich vorher hatte verkneifen müssen. Irgendwie gelang es Johannes immer wieder, sie zu überraschen.
»Ich scheine nicht der Einzige zu sein, der dich bewundert …«, sagte Ben, der mit einem Fuß gegen die Wand gestützt auf sie wartete.
Caroline schwieg und mied seinen Blick.
»Bist du fertig?«
»Fertig? Wofür?«, fragte sie verwirrt.
»Für das Glas Wein, das du mir vor ein paar Abenden versprochen hast.« Er sah sie so erwartungsvoll an, wie ein Kind im Süßwarenladen. Das Glänzen seiner Augen rührte Caroline, aber sie sah sich dennoch instinktiv über die Schulter um.
War Johannes noch hier? Er hatte doch sicher sehen wollen, wie sie auf den Stern reagierte. Nicht, dass er seine Drohung wahrmachte und Ben etwas zuleide tat. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Die Möglichkeiten waren endlos – von herabstürzenden Leuchtern bis zu Kabeln, die plötzlich straff gezogen einen feinen kleinen Stolperstein abgaben …
»Das heißt, du willst dein Pfund Fleisch, Shylock«, sagte sie deshalb und hängte sich ihren Korb an den Ellenbogen. »Also gut, gehen wir!« Sie hörte selbst den leichten Trotz in ihrer Stimme.
Ben runzelte die Stirn und nahm seinen Motorradhelm unter den Arm. »Was? Mein Pfund Fleisch? Das klingt ja grausig.«
»Ist es auch. Ein Zitat aus dem Kaufmann von Venedig .«
»Ach ja, Carlos hat mir erzählt, dass du zur Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule den Shylock gegeben hast. Ganz schön mutig. Passt zu dir.« Er reichte ihr einen zweiten Helm.
Was konnte ein Glas Wein schon schaden? Schließlich sprach doch Johannes immer von Vertrauen. Er, der ihr immer noch nicht sagte, weshalb er hier war.
»Mutig? Findest du? Eigentlich bin ich gar nicht mutig. Ich war da selbst ein wenig von mir überrascht.«
»Vielleicht nicht im klassischen Sinne. Aber du traust dich, anders zu sein. Das gefällt mir.«
»Danke, Ben«, sagte Caroline und ging ihm durch den Gang voraus, um weitere Geständnisse zu vermeiden. Dieses eine Glas würde sie mit ihm trinken, aber das genügte, entschied sie. Als die beiden über die Bühne gingen, sah sie sich einige Male um, auch zur Decke und zur leeren Logen. War er hier? Folgte er ihnen?
Der Gedanke ließ ihr Herz schneller schlagen. Mutig. Wenn sie wirklich auf einmal mutig war, dann hatte sie das nur ihm zu verdanken. Da war so viel mehr an ihm. Wie eine unbekannte Landschaft in ihrem Inneren, die zu erforschen mehr Kraft als alles andere in ihrem Leben kosten mochte. Hatte sie dazu denn den Mut?
»Suchst du was?«, fragte Ben, der ihren Blick bemerkt hatte.
»Nein, nein«, sagte sie schnell und er hielt ihr die Schwingtüren auf. Sie traten ins Sonnenlicht und Ben warf dem Obdachlosen einen Euro in die Kappe. Der nahm die Münze, ohne ihm zu danken.
»Manieren haben die auch keine mehr«, sagte Ben. Er sperrte die Kette auf, mit der er sein Motorrad angeschlossen hatte, wickelte sie um seinen gebeugten Arm auf und verstaute sie. »Wo wollen wir hin? Ins Van Loo ? Da könnten wir so tun, als wären wir auf hoher See …«, überlegte er.
Caroline aber konnte ihren Blick nicht vom Bimah lösen: von der heute unzeitgemäß pompösen Fassade mit den Graffitis und den vernagelten Fenstern.
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