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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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entgegengesetzte Eck des Friedhofs, weg von jeder anderen Menschenseele. Michis Finger klammerten sich fester um ihre, je näher sie dem Grab kamen. Sie presste seine Hand erst und küsste sie dann. Seine Haut fühlte sich klamm an.
    »Keine Angst, Michi. Papa hat jetzt Frieden«, sagte sie, doch verlangsamte ihren Schritt, als das schlichte Grab in Sicht kam.
    Irgendwie war es richtig, dass er hier lag, mitten auf dem Berliner Künstlerfriedhof. Hier war er im Tod in der Gesellschaft, in die er es im Leben nicht geschafft hatte. Als sie vor dem Grabstein zum Stehen kamen, drückte Michi sich an sie, und sie legte den Arm um seine Schultern.
    Bernd Siebert,
stand in moderner Schrift über seinem Geburts- und Sterbedatum in den dunklen Granit gemeißelt. Sonst war seine Grabstätte nur ein kahler, rechteckiger flacher Hügel.
    »Bist du da so sicher?«
    »Dass er Frieden hat? Ganz sicher. Er sitzt oben auf seiner Wolke und wackelt mit den Füßen, wenn er dich sieht.
Was ist Michi für ein großer starker Junge geworden! Und Caroline für eine schicke junge Frau! Genau das sagt er sich!«
    »Meinst du, er wäre glücklich damit, dass du Schauspielerin geworden bist?«
    Sie schwieg einen Augenblick lang. »Ich glaube, er würde das verstehen. Schließlich wollte er doch immer Schriftsteller sein.«
    »Was ich wohl mal werde?«
    »Was immer das ist, ich bin sicher, Papa wäre stolz auf dich.«
    »Ich wünschte, er wäre noch hier«, flüsterte Michi.
    »Ich auch. Aber Papa ist immer da.«
    »Stimmt das?«
    »Sicher«, sagte sie mit Überzeugung. »Er ist da und beschützt dich. Die ganze Welt ist voller guter Geister. Man muss nur lernen, sie zu sehen, wenn sie sich einem zeigen wollen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es eben«, sagte sie und legte sich mit verschwörerischer Miene den Zeigefinger auf die Lippen. Doch das Lächeln wollte ihr dazu nicht so recht gelingen.
    »Dann ist er nie wirklich weggegangen?«
    »Nein, nie.«
    Bei den Worten löste sich ein Knoten in ihrer Brust, der dort seit fünf Jahren gesessen hatte, verkrustet und hart wie Stein. Nein, Papa war nie wirklich weggegangen. Er hatte sein Versprechen nicht gebrochen.
    »Sagst du das auch nicht einfach nur so, damit ich nicht traurig bin?«
    »Nein«, sagte Caroline, ohne zu überlegen. Nein. War das die Wahrheit? Sie dachte an Carlos’ Inquisition während der ersten Probe am
Bimah. Jetzt sagt mir mal, was ihr von der Liebe haltet?
Die Verzweiflung, die in ihr hochgekrochen war, als Carlos sich langsam, langsam zu ihrer Wahrheit vorgearbeitet hatte.
    Doch ehe sie noch etwas sagen konnte, murmelte Michi mit Tränen in den Augen: »Du hast bestimmt recht, Caro. Papa hat jetzt Frieden.« Sie küsste ihn aufs Haar, und er schmiegte sich an sie, ehe sie hoch in die Wolken sah.
    Frieden.
Wenn Johannes diesen Frieden haben sollte, jagte es ihr furchtbare Angst ein. So große Angst, wie sie sie noch nie verspürt hatte. Angst, ihn zu verlieren. Welchen Fluch hatte seine Tat nach sich gezogen und welche Tat diesen Fluch? Plötzlich musste sie wissen, was geschehen war. Die Unruhe ließ ihr das Blut in den Adern kribbeln. Sie konnte nicht mehr warten, bis die Zeit reif war. Ihr wurde die Kehle eng. Würde er ihr antworten? Er musste! Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Michi sah sich suchend um. »Haben wir denn überhaupt Blumen für Papa dabei?«
    Sie war ihm dankbar, dass er sie in das Jetzt zurückholte und aus ihren dunklen, drängenden Gedanken riss.
    »Ne. So’n Mist. Das habe ich vergessen.«
    »Dann verteilen wir doch einfach um.«
    »Wie bitte?«
    »Na, guck doch. Da sind Gräber, die haben sooo viele Blumen. Man sieht kaum den Namen des Toten. Warum soll denn Papa gar keine haben? Er freut sich doch dann, oder? Außerdem sieht das doch keiner. Wir sind allein hier.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Caroline unentschlossen – am Friedhof Blumen
umordnen,
wie Michi es so diplomatisch ausdrückte? Konnte man das denn machen? Irgendwie war das was anderes, als ohne Fahrschein in den Bus zu steigen oder am Badestrand Wannsee über die Mauer zu springen und nicht dabei erwischt zu werden.
    Michi zog bittend an ihrer Hand. »Komm schon. Die sitzen alle oben auf ihren Wolken und wackeln mit den Füßen. Sicher sind sie alle längst miteinander befreundet. Wenn sie könnten, würden sie Papa Blumen aufs Grab legen, weil er ihnen so schöne Geschichten erzählt.«
    Caroline sah rasch über ihre Schulter. Es war niemand zu sehen.
    »Also

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