Sommernachtszauber (German Edition)
und sich ihren Korb schnappte, sah Michi erstaunt auf: »Probt ihr denn auch am Sonntag?«
Proben?,
wollte Caroline fragen, doch nach dem Morgen auf dem Friedhof blieb ihr das Wort im Hals stecken. Der Abend, an dem sie Carlos voll Scheu und doch auch Ehrgeiz um einen Zweitschlüssel gebeten hatte, war ganze Zeitalter entfernt. Mit Johannes war sie in die Julia hineingewachsen, in ihre Haut geschlüpft und atmete ihr doch ihr eigenes Leben ein. Sie hatte sich fallen lassen, in ihn hinein. Jetzt wollte sie nur noch bei ihm sein, aus den Proben war Wahrheit geworden. Eine Wahrheit, die ihr alles wert war.
Dennoch bemühte sie sich, natürlich zu klingen, als sie sagte: »Ja. Es ist nur noch so wenig Zeit bis zu der Gala.«
»Wann ist sie denn genau?«, fragte ihre Mutter dann.
»Samstag in einer Woche, Mama. Angeblich kommt alles, was Rang und Namen hat. Vielleicht sogar die Kanzlerin. Ganz großer Bahnhof.«
Ihre Mutter legte vor Überraschung ihr frisch gebuttertes Brötchen zurück auf den Teller. »Die Kanzlerin! Wenn meine Tochter spielt …!«
»Na, ich spiele
unter anderen.
Außerdem soll sie nur
angeblich
kommen. Lass dir die Schrippe schmecken, ja?«
Sie umarmte ihre Mutter und hüpfte aus der Wohnung, Johannes entgegen. Kurz vor dem
Bimah
piepste ihr Handy zweimal.
1 neue Nachricht Ben,
sagte ihr die Anzeige. Sie zögerte, aber rief sie dann auf:
Das Wetter ist so schön. Wollen wir zum Badeschiff? Mia kann auch mitkommen.
Sorry, habe zu tun,
schrieb sie zurück.
Hast du vielleicht eher Lust auf ein Picknick? Ich brate uns ein Huhn. Dann muss Mia nicht mitkommen. Xx Ben
Ben, ich hab WIRKLICH zu tun. Tut mir leid. Wir sehen uns morgen am Theater, ja? Aber Mia würde sich sicher freuen. LG Caro
Klar. Verstehe ich. Bis später dann. Ben.
Bis später?, dachte Caroline verwirrt, aber sie vergaß seine Antwort sofort wieder.
»Deine Lippen sind warm …«,
flüsterte Caroline. Johannes lag reglos auf der Bühne, und Caro ließ die Phiole fallen, bereit, nach seinem Dolch zu tasten.
Doch Johannes setzte sich plötzlich auf.
»Sind sie das wirklich? Du hast sie doch heute noch gar nicht gespürt, oder? Zumindest nicht so richtig?«
Caroline musste lachen, aber rügte ihn. »Johannes! Jetzt hast du mir alles versaut.«
»Entschuldige. Um ehrlich zu sein: Ich kann das ganze Stück mit dir rauf und runter proben, nur diese Szene nicht.«
»Oh Gott …«, flüsterte Caroline und ließ sich auf ihre Fersen in die Hocke sinken. »Natürlich. Judith war ja damals deine Julia …«
»Ja. Sie war meine Julia.«
»Erzähl mir von ihr«, sagte sie tonlos. Sie fröstelte und zog sich ihren leichten Cardigan über. Der Stoff fühlte sich an wie eine Rüstung, die sie vor der Geschichte bewahrte.
»Willst du das wirklich?«
Sie nickte wieder, spürte aber gleichzeitig einen kleinen Stich in ihrem Herzen. Eigentlich wollte sie nichts über die andere wissen. Zu hören, was er für sie empfunden hatte, war eine Qual. Aber gleichzeitig war diese Judith der Schlüssel zu Johannes und dem Geheimnis seines Daseins. Sie erinnerte sich, wie sie am Morgen unbedingt sein Geheimnis hatte erfahren wollen. Die Neugier brannte in ihr. Ein ungutes Feuer, das sich aus seiner eigenen, versteckten Glut schürte.
»Wer war sie?«, flüsterte sie und die Worte schmerzten in ihrer Kehle.
Johannes streichelte ihr Gesicht mit einer Zärtlichkeit, die alles in ihr weich werden ließ. Sie schmiegte ihre Wange in seine Hand. Judith, wer immer sie gewesen war, gehörte der Vergangenheit an. Und ohne sie hätte sie Johannes nie treffen können!
»Sie war – Judith Goldmann.«
Caroline zuckte gewollt gleichgültig mit den Schultern. Johannes musterte sie mit dem Anflug eines Lächelns. »Dass ich über sie spreche, ist furchtbar für dich, nicht wahr?«
Caroline nickte. Er küsste sie einen Wimpernschlag lang. Es war nur ein Hauch seiner Lippen auf den ihren, doch es gab ihr Kraft. Ihr Kopf folgte ihm, um noch mehr von dem Kuss einzufangen. Doch Johannes sprach schon mit schwerer Stimme weiter. »Ihr Vater war Ezra Goldmann, damals ein gefeierter Impresario. Ihm gehörte diese Bühne hier.«
»Das
Bimah?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das
Fasanentheater.
So hieß es damals.«
»Mia hat mir gesagt, dass das Haus früher in jüdischem Eigentum war. Wie übrigens auch die Villa ihrer Eltern.«
»Ach ja? Wo wohnt sie denn?«
»Am Wannsee. Ein herrliches Haus.«
Johannes richtete sich im Sitzen auf. Er wirkte angespannt. »Wie
Weitere Kostenlose Bücher