Sommernachtszauber (German Edition)
erwecken, ihn endlich sterblich machen. Er sah sie an, seine hellen Augen ganz nah an den ihren. Er lächelte nun, und sie war beinahe froh, von dem Thema Judith und der Wunde abzukommen. Konnte ihre Liebe eine grässliche Wahrheit ertragen?
»Sag es mir, wenn du dazu bereit bist«, flüsterte sie. Dann wäre auch sie bereit, entschied sie sich.
Er liebkoste schweigend und behutsam tastend ihr Gesicht. Schauer um Schauer lief über Carolines Körper, sie hatte Gänsehaut auf den Armen und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie musste es sein, ihn
ganz
zu spüren? Der Gedanke steigerte ihre Neugierde, ihr Begehren ins Schmerzhafte.
»Weißt du, was ich gedacht habe, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe?«, flüsterte er.
Sie erwachte wie aus einem Traum und schüttelte leicht den Kopf.
»Nein. Wann war das?«
»Beim Vorsprechen, glaube ich. Du kamst als eine der Letzten zur Tür herein.«
»Was hast du gedacht?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»An Musik. Den Jazz-Tune. Das habe ich dir doch schon gesagt.«
»Nicht auch ein wenig an Tango?«, lachte sie.
»Tango? Weshalb?«
»Tango ist an der Schule meine Lieblingsstunde. Im Herzen hoffe ich auf eine Neuverfilmung von
Manche mögen’s heiß,
nur um die Tangoszene drehen zu können! Rose hin, Rose her!«
Er sagte: »Bei Max Reinhardt habe ich auch Tango gelernt.«
»Wirklich? Worauf warten wir dann?«
Er stand auf und streckte seine Hand aus. »Darf ich bitten, Caroline?«
Seine Finger schlossen sich zärtlich um die ihren. Caroline strengte alle ihre Sinne an. Spürte sie ihn? Ja, sicher, wenn sie es wollte.
So sehr wollte!
»Aber nicht ohne Musik …« Sie zog ihn mit sich zu ihrem Korb, der am Bühnenrand stand. Sie nahm ihren iPod heraus und dockte ihn in die Station, die unweit davon als Teil von Carlos’ modern-mittelalterlichem Bühnenbild aufgebaut war.
»So, jetzt.« Sie wandte sich Johannes zu. »Da ist unser Tango-Gitarrist drin versteckt. Er heißt Astor Piazzolla.«
»Astor. Schöner Name.« Er legte seine Hand in ihren Rücken und zog sie mit einem Ruck an sich. »Haltung, Caroline!«, flüsterte er.
Sie wurde aus der Mitte heraus biegsam, während ihr Rücken und ihr Nacken gerade und stolz blieben, genau auf die Art unbeugsam, die der Tango vorschrieb.
Die ersten Gitarrenklänge drangen durch das
Bimah.
Sehnsuchtsvoll und doch fordernd, als zupfe jemand eigentlich an den Saiten ihrer Seele, dachte Caroline. Johannes’ Blick war ernst und brennend, absolut und senkte sich stolz und bestimmend in ihren. Sie hob das Kinn und war bereit!
Die Musik wuchs, fand neue Kraft und Johannes’ Griff in ihrem Rücken war leidenschaftlich und gnadenlos. Er hielt mit seiner anderen Hand ihre Finger fest umschlungen und ihre Füße fanden die Schritte wie von selbst – ihr Schenkel zwischen seinen, sein Schenkel zwischen ihren, seine Augen, deren Blick sie nie losließ. Sie sah zu ihm auf und tauchte in ihn ein, gefangen in einem Strudel aus Musik, Tanz und berauschender Nähe.
Tango war mehr als ein Tanz, es war ein Kampf, der der Liebe vorausging: Johannes riss sie mit, führte sie mit einer Kraft und Bestimmtheit, die ihr den Atem nahm. Wieder flog sie mit ihm, aber dieses Mal mit beiden Füßen auf dem Boden. Sie hielt sich an ihm fest wie eine Ertrinkende, als er sie durch die Musik führte. Mit den letzten Klängen der Gitarre glitt er in einen Ausfallschritt, lehnte sie weit nach hinten und beugte sich über sie. Sie keuchte auf. Ihr Herz schlug zum Zerspringen, vor Glück, vor Leidenschaft, vor Hingabe und dem Wunsch nach Hingabe. Sein Blick brannte in ihrem.
»Mein Gott. Manchmal kann ich es nicht fassen, wie sehr …« Er brach ab, und Caroline wartete mit jeder Faser ihres Wesens darauf, dass er weitersprach.
»Wie sehr … was?«, flüsterte sie dann. »Was, Johannes?«
Alles an ihr sehnte sich danach, diese Worte aus seinem Mund zu hören, ewig und immer wieder neu, einen geheimnisvollen Bund schließend, dem nur sie beide angehörten. Caroline wollte hören, wonach sie sich mit jeder Faser ihres Wesens sehnte.
Wie sehr … ich dich liebe.
Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Jetzt! Ihre Finger verflochten sich mit den seinen, und sie war Johannes so nahe, dass sie zu einem Wesen verschmolzen. Im Geisterlicht geschmiedet.
Ihr Atem stockte.
»Caroline! Was zum Teufel geht hier vor!«
Die Tür zwischen Foyer und Saal flog auf und schlug mit Wucht gegen die Wand. Glas klirrte und Ben stürmte den Gang zwischen den
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