Sommernachtszauber
Pailletten besetzten Sandalen – alles quasi für einen Apfel und ein Ei.
In diesem neuen Look und die kurzen blonden Haare mehr verstrubbelt als gekämmt, fand Joss insgeheim, dass sie an diesem Abend gut zwanzig Jahre jünger aussah. Natürlich würde alles wieder anders, wenn Marvin nach Hause käme, weil er bei diesem Anblick sicher einen seiner geifernden Verdammt-Ausbrüche bekäme, aber für das Showprogramm heute Abend war die Aufmachung genau richtig.
Um Himmels willen! Joss blieb fast das Herz stehen, als sie einen Wagen in die Auffahrt einbiegen hörte. In einem Anflug gedanklicher Treulosigkeit hoffte sie inständig, dass dies nicht der heimkehrende Marvin war. Nicht heute Abend! Heute Abend könnte sie seine Rückkehr wirklich nicht gebrauchen.
Die Daumen fest gedrückt und mit angehaltenem Atem spähte sie hinter den IKEA-Vorhängen hervor und musste laut loslachen.
Ein riesengroßes, bonbonrosafarbenes und chromblitzendes Cadillac-Cabrio tuckerte vor der Haustür.
Freddo sprang mit wehendem goldenem Haar, klimpernden Armreifen und einem weißen Hemd über schwarzen Hosen aus dem Wagen und wäre fast mit ihr zusammengerumpelt, als sie aus der Eingangstür stürmte.
»Sorry, Joss, Schätzchen – ich bin doch hoffentlich nicht zu spät dran? Und – ja, Wahnsinn – siehst du toll aus. Einfach hinreißend. Wie eine Prinzessin. Da bleibt einem ja die Spucke weg, Schätzchen. Heut Abend bin ich der stolzeste Mann von Hazy Hassocks.«
»Danke.« Joss vermutete, es sei wohl das Beste, ein Kompliment einfach anzunehmen. »Du siehst auch toll aus.«
Was durchaus stimmte: anders zwar, aber toll. Und dieses Auto...
»Ich halt dir die Tür auf«, sagte Freddo und machte eine schwungvolle Geste, »aber wenn du lieber obendrüber auf den Beifahrersitz hüpfen möchtest, soll’s mir auch recht sein.«
Joss kicherte. »Nein, ich nehm den konventionellen Einstieg, danke. Das Hüpfen heb ich mir für später auf.« Sie glitt auf den dunkelroten Ledersitz. »Lieber Himmel – das ist ja fantastisch. Ist das deiner?«
Freddo nickte und sprang auf den Fahrersitz. »Manche finden ihn wohl ein bisschen zu auffällig, und er frisst mächtig viel Sprit, aber ich liebe diesen Wagen. Hab ihn bei einer Auktion gekauft, als eine Boy-Group pleiteging und das Management bis zur letzten Büroklammer alles verhökern musste. Sind wir startklar?«
Joss nickte und fragte sich, ob das auch bloß ein Traum war. Wenn Val sie doch nur sehen könnte!
Freddo ließ den Wagen an, und das wilde Röhren überzeugte sie davon, dass dies sehr wohl die Wirklichkeit war.
»Dein Mann hat doch nichts dagegen, oder?«, fragte Freddo, als sie The Close verließen. »Ich hoffe, es hat keinen Ärger gegeben?«
»Er ist noch unterwegs«, sagte Joss leichthin und genoss es, den warmen Abendwind im Gesicht zu spüren, der ihre Haare zum Flattern brachte und ihre Röcke bauschte. »Aber er hat bestimmt nichts dagegen.«
Sie wusste, dass sie Marvins Verschwinden über kurz oder lang würde publik machen müssen, aber nicht heute Abend. Diesen Abend wollte sie sich auf gar keinen Fall verderben lassen.
Als der Cadillac an dem keltischen Kreuz und Coddles vorbei die Grenze zwischen Bagley und Russet überquerte, gafften ihnen mehrere Kinder hinterher und juchzten und winkten. Joss hatte das Gefühl, als könnte das Leben schöner überhaupt nicht sein, und lächelte und lachte und winkte zurück.
Und sie lachte noch immer, als Freddo das Autoradio aufdrehte und sie zu dem Song »Soul Man« von Sam and Dave laut singend in schwindelerregender Geschwindigkeit durch die Frühlingslandschaft brausten.
Vor dem Gemeindesaal gesellte sich Sukie zu Valerie Pridmore, die draußen eine Zigarette rauchte. Sie hatte sich nicht davongestohlen, um zu rauchen, sondern weil sie es nicht länger ertragen konnte, wie Topsy sich drinnen als »große Choreografin« aufspielte.
»Die macht mich wahnsinnig«, sagte Sukie und lehnte sich in der Abendsonne neben Val an die Mauer. »Weil die Presse da ist, lässt sie uns die albernsten Figuren vorführen. Ich hoffe, sie legt beim Vortanzen einen anderen Gang ein, denn sonst hat sie bis zum Ende des Abends alle Kandidatinnen in den Streckverband gebracht. Sei froh, dass du dem entgangen bist.«
»Das kannst du laut sagen.« Val blies eine Wolke Tabakrauch in den lauen Wind. »Mir den Fuß zu verknacksen, war das Beste, was mir passieren konnte. Topsy hat sehr viel mehr Energie, als in ihrem Alter bekömmlich
Weitere Kostenlose Bücher