Sommernachtszauber
dem großen Polstersessel vor. »Sukie, ich wollte dich nur warnen, dass hier so manches geschehen kann. Die sanfte Zauberkraft der Pflanzen wird schon seit Tausenden von Jahren angewandt – und das gilt ganz besonders für Pflanzen, die an Orten der Kraft wie Pixies Laughter wachsen. Cora wusste, sich der Naturmagie zu bedienen – nein, lach nicht. Ich hab ihr gesagt, sie solle dich wissen lassen, was hier vor sich geht, aber sie meinte, das sei nicht nötig. Da du dir in den Kopf gesetzt hattest, Kosmetikerin zu werden, und dieser Ort nie dein Zuhause sein würde, kämst du auch nie in Versuchung, den Garten zu benutzen … Wahrscheinlich meinte sie, du würdest mit dem Gesicht voller Make-up irgendwo in einer Drogerie hinter der Kasse stehen. Sie ahnte ganz sicher nicht, dass du eines Tages mit Blütenessenzen und Massagen zu tun hättest und noch dazu hier wohnen würdest.«
Das war ja wohl alles viel zu abwegig, um wahr zu sein. Aber wenn doch? Was, wenn Cora wirklich eine besondere Gabe gehabt hatte? Wenn der verwilderte Garten von Pixies Laughter wirklich ein Hort zauberkräftiger Pflanzen war? Sukie hörte den Märzwind um das Cottage brausen, der das Gasfeuer zum Singen brachte.
»Hat Cora das alles denn aufgeschrieben? All ihre Tränke, meine ich? Hatte sie ein altes Rezeptbuch wie das, mit dem Mitzi Blessing ihre Kräuterküche begründet hat?«
»Nein.«
Sukie starte Topsy an. Dieses Nein war zu schnell gekommen. Viel zu schnell.
»Das glaub ich dir nicht. Sie hatte eben doch eines, nicht wahr? Es muss ja noch irgendwo sein. Hier im Cottage?«
»Nein«, sagte Topsy wieder. »Es gab kein Buch. Sie hat nichts aufgeschrieben.«
»Du weißt, dass es eines gab!« Sukie rappelte sich aus den Untiefen der dicken Polster empor. »Topsy, du weißt es! Bestimmt hast du gehofft, es sei auf dem Müll gelandet, als meine Eltern nach Coras Tod den Papierkram aussortiert haben – aber du kannst nicht sicher sein. Hier gibt es überall noch jede Menge von Coras Sachen – also könnte es durchaus irgendwo sein, nicht wahr?«
Topsy stand mit einer anmutigen Bewegung auf, glättete ihren Regenmantel und steuerte auf den Flur zu. »Es gibt kein Buch. Keine Papiere. Keine Rezepte. Cora hatte alles im Kopf. Ihr Wissen starb mit ihr. Es tut mir leid, wenn dich das alles aufgewühlt hat – aber ich bereue nicht, es dir erzählt zu haben. Nun weißt du Bescheid. Wie du mit diesem Wissen umgehst, ist deine Sache. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss wirklich gehen. Ich mache es mir am frühen Samstagabend gerne vor dem Fernseher gemütlich, damit ich Casualty nicht verpasse …«
Durchs Fenster sah Sukie Topsy den Gartenweg entlanggehen und im grauen, dunkler werdenden Märzabend verschwinden.
Auf einmal war es im Cottage eigenartig still. Einsam. Trotz des munter flackernden Gasfeuers fröstelte Sukie. Sie wünschte, Milla wäre zu Hause. Sie wünschte, Chelsea würde auftauchen und das Haus mit Gekicher und klatschsüchtigem Geschwätz erfüllen, während sie sich für die Junggesellinnenparty zurechtmachten. Sie wünschte, das leise Seufzen des Windes und das Rauschen des Regens nicht hören zu müssen. Und vor allem wünschte sie, es klänge nicht ganz so wie ein leises, fernes, silberhelles Lachen.
7. Kapitel
D er Samstagabend lief im Bungalow der Bensons nach einem ebenso festen Schema ab wie die restliche Woche. Der ganze Tag war mit nahezu militärischer Präzision durchorganisiert: Morgens wusch Marvin den Wagen oder spielte neun Löcher Golf, während Joss in Hazy Hassocks einkaufen ging – Lebensmittel, nichts anderes -, Mittagessen gab es Punkt eins, irgendetwas Leichtes auf Toast, am Nachmittag döste Marvin vor einer Sportsendung im Fernsehen, und Joss arbeitete im Garten, wenn das Wetter schön war, oder las, wenn nicht.
Und dann, am Abend … Nun, der Samstagabend war am allerschlimmsten.
Joss saß am Frisiertisch und betrachtete wehmütig ihr Spiegelbild, wie immer in der Hoffnung, eine glühend sinnliche, begehrenswerte Frau zu sehen. Dann fragte sie sich, warum niemand sie davor gewarnt hatte, dass sie infolge des Schwurs »bis dass der Tod uns scheide« an Samstagen von ganzem Herzen wünschte, es wäre hoffentlich bald so weit.
Marvin und sie »unternahmen« am Samstagabend immer etwas. Das gehörte ebenso zum festen Schema wie alles andere an diesem Tag und war noch viel unerfreulicher. Wenn sie ausgingen, dann nicht etwa zum Tanzen oder ins Konzert oder Theater oder Kino; das
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