Sommernachtszauber
besser in die Puschen kommen, bevor mein Vater hier ist. Deins ist in der Tragetasche da.«
»Mein was?«
»Dein Kostüm. Das Feenzeug.«
»Ich verkleide mich nicht.«
»Aber wohl wirst du das. Wir verkleiden uns alle. Fern hat es sich so gewünscht, und weil es ihre Jungesellinnenparty ist, musst du mitmachen. Jetzt geh schon, gib dir einen Ruck und zieh dich an – ich such inzwischen in dem Schrank hier, was auch immer du nicht finden kannst.«
Nein. Sukie schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall würde sie sich verkleiden – und auf gar keinen Fall würde sie Chelsea erzählen, dass sie sich während der letzten Stunden damit verrückt gemacht hatte, über Topsys zeitlich ungelegene Enthüllungen nachzudenken und Pixies Laughter nach Coras angeblich nicht vorhandenen Liebestrank-Rezepten zu durchstöbern.
»Ich zieh einfach Jeans und mein pinkfarbenes T-Shirt an und trag ein bisschen Glitzer auf.«
»Das geht nicht! Alle verkleiden sich. Und du ziehst das hier an!« Chelsea warf Sukie eine Tüte zu. »Ist genau wie meines. Ronald hat sie uns extra gemacht.«
»Meinst du Ronald aus Bagley-cum-Russet? Den Couturier der Stars?«
»Nein, Ronald aus Hazy Hassocks«, seufzte Chelsea. »Du kennst doch Ronnie? Der Typ aus Mitzi Blessings Babyboomer-Kreis, den Topsy überredet hat, unsere Cancan-Kostüme zu schneidern. So Sachen fürs Showbusiness hat er voll drauf, er liebt Glitzer und Pailletten. Du kannst mir das Geld dafür später geben.«
Sukie spähte in die Einkaufstüte. »Und das ist genauso wie deines?«
»Ganz genau«, antwortete Chelsea stolz. »Wir werden aussehen wie Zwillinge.«
»Ich werde aussehen wie eine fette Schlampe. Und da meine Beine zu dieser Jahreszeit so bleich sind wie rohe Würstchen, machen sich die rosa Netzstrümpfe sicher ganz besonders toll.«
»Na aber!« Chelsea warf sich mit hoch erhobenem Zauberstab in Pose. »Was sagt Topsy immer über Netzstrümpfe? ›Immer schön ein Paar getönte Strümpfe oder Strumpfhosen drunter, Mädels, dann wirken Netzstrümpfe Wunder an jedem Bein!‹«
Sukie kicherte wieder. »Ja, da mag sie schon recht haben – aber in dem restlichen Zeug lass ich mich trotzdem nicht in der Öffentlichkeit blicken.«
»Aber natürlich wirst du das, verflixt noch mal!« Chelsea schob Sukie auf die gewundene Treppe zu. »Los, zieh dich an – und du hast doch hoffentlich an Ferns Geschenk gedacht?«
»Ja, die Fläschchen stehen auf dem Tisch in der Diele – pack sie doch inzwischen schon mal ein, und tu sie zu deinen Sachen, dann vergess ich sie nachher nicht.« Sie beäugte noch einmal das Feenkostüm. »Aber ich weiß wirklich nicht …«
»Mensch, Sukie, das ist doch auch nicht freizügiger als die Cancan-Kostüme, und die bestehen nur aus Miedern und Strapsen und Strümpfen und Unterröcken und so was. Damit hast du doch auch kein Problem.«
»Das ist etwas anderes.«
Das war es wirklich, dachte Sukie, während sie mit der Einkaufstüte die Treppe hinaufging. Bislang hatten sie nur vor Publikum in Altersheimen oder bei Schulfesten Cancan getanzt. Sie fand Ronnies Interpretation des Moulin-Rouge-Kostüms prächtig und aufregend und, tja, angemessen. Sukie hatte es nie irgendwie als aufreizend empfunden. Im Vergleich dazu war dieses liederliche Feenzeug hier – sie schüttelte die Plastiktüte -, ja, geradezu feuergefährlich.
Immerhin, dachte sie, als sie die Dose mit Glitzerspray zur Hand nahm, war das Weasel and Bucket heute Abend, wie Chelsea betont hatte, eine männerfreie Zone. Nur Ferns Feen wären da. Bestimmt würde es niemand auch nur im Mindesten interessieren, wenn ihre weiblichen Rundungen aus einem Kostüm hervorquollen, das von der Größe her besser in die Weihnachtsaufführung einer Grundschule gepasst hätte.
Das Weasel and Bucket war etwas ganz anderes als das Barmy Cow , dachte Joss und betrachtete erfreut die auf Hochglanz polierten Oberflächen, das blinkende Messing, die urigen, niedrigen dunklen Deckenbalken und das knisternde Kaminfeuer. Ein echter Landgasthof. Gemütlich, einladend, warm – und für einen Samstagabend erstaunlich leer.
»Ach, das ist aber nett.« Joss wandte sich erfreut zu Marvin. »Warum waren wir hier noch nie?«
»Du weißt, was ich von den örtlichen Pubs halte.« Marvin strebte bereits ans hintere Ende des langen Tresens. »Wenngleich der hier recht annehmbar zu sein scheint – aber das Dorf ist mit Vorsicht zu genießen. Dir ist sicher bekannt, was hier vor sich geht?«
Joss wusste es. In
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