Sommernachtszauber
und musterte sie kritisch. »Dieser Rock wirkt reichlich eng. Du könntest ruhig ein paar Pfund abnehmen – ach, wir treffen uns mit Simon und Sonja. Die magst du doch, nicht wahr?«
Joss, die immer fand, Simon und Sonja wären ihr sehr viel sympathischer, wenn sie mal etwas Interessantes täten – wie etwa spontan in einer Stichflamme zu verpuffen -, antwortete nicht.
»Der alte Simon ist angefressen, weil ich ihn letzte Woche im Golf haushoch geschlagen habe«, feixte Marvin und rückte seine Kricket-Club-Krawatte zurecht. »Sonja meinte, ich schulde ihr ein anständiges Essen, weil er seitdem ziemlich ungenießbar gewesen sei.«
Dann müsste mir eigentlich jemand anständiges Essen für ungefähr dreißig Jahre schulden, dachte Joss und nahm die Autoschlüssel vom Haken neben der Haustür. »Und wo essen wir heute?«
Bitte, bitte nicht wieder in irgend so einem minimalistischen Nouvelle-Cuisine- Lokal, wo sie nie wusste, was sich da eigentlich auf ihrem Teller befand.
Marvin schob sich hinter ihr durch die Tür und schauderte in der unvermittelten feuchten Kälte. »Ganz schön frisch heute Abend! Ach, ein Typ im Zug hat mir neulich Morgen erzählt, man hätte ihm in einem kleinen Landgasthof das beste Essen aller Zeiten serviert. Versteh gar nicht, warum wir noch nicht dort waren.«
Joss schon. Kleine Landgasthöfe waren, nach Marvins Auffassung, voll mit unbändigen Halbstarken, Proleten, Asozialen und Kretins.
»Heute musst du nicht weit fahren«, sagte Marvin so gönnerhaft, als würde er ihr den Mond in Seide verpackt überreichen. »Es geht nach Fiddlesticks, ins Weasel and Bucket .«
»Was zum Teufel machst du da unten in dem Schrank?«, schrie Chelsea Sukies Hinterteil an. »Und warum bist du noch immer im Bademantel? Hast du noch nicht geduscht? Es ist schon fast sieben Uhr!«
»Au!« Bei Chelseas plötzlichem Auftauchen schreckte Sukie hoch und stieß sich den Kopf an der über ihr offen stehenden Schublade. »Autsch, das tut weh! Lach nicht! Wie bist du überhaupt reingekommen?«
»Die Haustür war nicht abgeschlossen. Also habe ich mir erlaubt einzutreten. Warum machst du ausgerechnet jetzt deinen Frühjahrsputz?«
»Ich mach keinen Frühjahrsputz … ich, äh, ich such nur was. Natürlich habe ich längst geduscht und – au Backe!«
Blinzelnd sah Sukie nun Chelsea zum ersten Mal richtig an. »Als was in aller Welt hast du dich denn verkleidet?«
»Ich bin eine Fee.« Chelsea, das bemalte Gesicht voll silbernem Glitzer, machte eine Pirouette und schwenkte einen rosa und silbern blinkenden Zauberstab über dem Kopf. »Hübsch, was?«
Sukie blinzelte noch heftiger. Das knappe knallrosa Tutu reichte kaum über Chelseas knappen pinkfarbenen Slip; der weiße Satinbody sah einem Dessous aus dem Sexshop verdächtig ähnlich; die pinkfarbenen Netzstrümpfe und Ballettschuhe waren – na ja – schrill; aber was dem Ganzen die Krone aufsetzte, war das plüschige, blinkende knallrosa Zuckerwattekrönchen, das hoch oben auf Chelseas buntem Haarschopf thronte.
»Bist du etwa in diesem Aufzug durchs ganze Dorf gelaufen?« Sukie kicherte. »Hoffentlich nicht.«
»Nee, ist doch viel zu kalt. Mein Vater hat mich hergebracht. Er kommt in einer Viertelstunde wieder und fährt uns nach Fiddlesticks. Für den Rückweg müssen wir uns allerdings ein Taxi nehmen. Äh, der Traumtyp ist wohl nicht zufällig gerade da, oder?«
»Wer?«
»Derry Kavanagh natürlich.« Chelsea zog die Augenbrauen hoch, wobei ihr Krönchen schwankte und blinkte. »Ich würd gern mal meinen funkelnden Zauberstab auf ihn richten.«
»Bedaure.« Sukie grinste. »Zu schade aber auch. Nein, er ist nicht da. Und Milla ebenso wenig, sodass er auch nicht vorbeikommen wird, um sie abzuholen. Du wirst deine Feenverführungskünste heute Abend für einen anderen aufheben müssen.«
»So ein Mist«, sagte Chelsea gut gelaunt. »Da nur Frauen zur Party eingeladen sind, ist dann ja alles umsonst. Aber wir könnten natürlich auch noch eine Weile hier rumhängen und abwarten, ob sich Derry nicht vielleicht doch noch blicken lässt …«
Nein, könnten wir nicht, dachte Sukie. Derry Kavanagh hatte sie einmal ausgelacht – und sie würde ihm gewiss keine Gelegenheit geben, es ein zweites Mal zu tun. »Ach, ich glaube nicht, dass Milla ihn so bald wieder hierherbringen wird. Wahrscheinlich hat sie sich mit ihm in irgendein Fünf-Sterne-Boudoir zurückgezogen.«
»Die Glückliche.« Chelsea seufzte. »Tja, wenn das so ist, solltest du wohl
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