Sommernachtszauber
Fläschchen über den Kopf gezogen hast, mit einer Beschwörung wie: O Liebe so rein, Algernon Turvey sei mein! – oder ähnlichem Blödsinn?«
Topsy zuckte zusammen. »Du bist reichlich taktlos, meine Liebe. Aber da du schon fragst, ja, ich habe mich Coras besonderer Fähigkeiten bedient – aber nicht auf so drastische Weise, wie du eben geschildert hast. Ich war nicht in Algernon Turvey verliebt, aber er in mich. Er war zwar nicht die Liebe meines Lebens, aber ich habe Cora gebeten, ihn zu meinem Ehemann zu machen …« Topsy lächelte, in Gedanken offenbar weit entfernt. »Schau mal, ich kann ja verstehen, dass du zornig und durcheinander bist. Ich wünschte, ich hätte dir nichts von alldem erzählen müssen – aber ich habe Cora versprochen, immer ein Auge auf dich zu haben und, wenn Gefahr bestünde, dass du etwas über den Blumenzauber herausfindest -«
»Was nie der Fall gewesen wäre, wenn du es mir nicht erzählt hättest!«
»Vielleicht doch. Bei deiner Berufswahl und dem Entschluss, von zu Hause aus zu arbeiten … Das Risiko war mir zu groß, und ich hätte es mir nie verziehen. Nun, fürs Erste habe ich wohl genug gesagt. Sei einfach vorsichtig, Sukie, das reicht.«
»Nein, das reicht nicht. Erzähl mir alles. Sämtliche Einzelheiten.« Sukie lehnte sich im Sessel zurück. »Ich glaube noch immer kein Wort davon, aber du kannst jetzt nicht einfach aufhören. Also los, erzähl weiter. Bitte, Topsy, ich verspreche dir, ich werde mich nicht mehr darüber lustig machen.«
Topsy starrte gedankenverloren ins Feuer. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Cora und ich waren Freundinnen wie du und Chelsea – genauso ausgelassen und albern. Du kannst es dir sicher kaum vorstellen, aber ich war nicht immer eine alte Frau, und so sehr ändern die Zeiten sich nicht. Als Cora und ich und all die anderen Dorfmädchen in deinem Alter waren, und jünger, und wie du im Aufruhr der Gefühle, und uns nach Liebe sehnten, da waren sämtliche jungen Männer im Krieg. Alle miteinander. Nun, fast alle. Einige waren nicht tauglich oder Pazifisten oder übten geschützte Berufe aus – aber der Großteil der Jungs in unserem Alter, Jungs, nach denen wir genauso geschmachtet haben, wie ihr es heute tut, war auf einmal weg. Fort. Um zu kämpfen und wahrscheinlich dabei zu sterben. Weg, wer weiß wohin und für wer weiß wie lange … Stell dir mal vor, wie es dir ginge, wenn so etwas heute geschähe.«
Sukie sah in die züngelnden Flammen des Gasfeuers. Wie das wäre? Einfach fürchterlich … Zu schrecklich, sich auszumalen, dass junge Männer wie Lewis Flanagan und Derry Kavanagh und all die anderen tollen Jungs plötzlich aus dem Dorf herausgerissen würden, um zu kämpfen und womöglich zu sterben …
»Willst du damit sagen, dass Cora, nachdem alle Jungs in den Krieg gezogen waren, für die Mädchen, die ihre erste Wahl nicht kriegen konnten, irgendeinen Kräutertrank zusammengebraut hat, damit sie sich in einen von denen verliebten, die noch zu haben waren? Alte Männer oder Invaliden? Nach dem Motto: In der Not frisst der Teufel Fliegen? Das ist ja widerlich …«
»Darüber kannst du jetzt natürlich leicht die Nase rümpfen, aber so war es keineswegs, Sukie. Manche der Mädchen, die in einem der Dörfer allein zurückgeblieben waren, einsam, verängstigt, gelangweilt – wie auch immer -, sehnten sich nach Liebe. Und es gab andere junge Männer oder ausländische Soldaten, die hier in der Gegend stationiert waren und ebenfalls schrecklich einsam waren und heimwehkrank und weit entfernt von denen, die sie liebten. Meine Güte, du weißt doch, wie so etwas läuft. Cora hat ihnen Tränke gemischt, weil sie diese Gabe besaß. Sie tat es, um den Liebeskranken und Einsamen zu helfen. Nur vorübergehend natürlich, aber aus manchen Beziehungen wurde mehr. Was sollte daran verkehrt sein? Der Krieg dauerte viele Jahre lang. Die zu Hause gebliebenen Frauen hätten sich sonst anderswo umsehen müssen, und wenn sie ihr Glück bei Fremden fanden …
Für die ungebundenen Mädchen war das ja alles gut und schön, aber als unsere Jungs aus dem Krieg nach Hause kamen, bestanden einige recht ernsthafte Liebesbeziehungen. Verstehst du? Verheiratete und verlobte Frauen, Hals über Kopf in fremde Männer verliebt! Natürlich nicht alles durch Coras Zutun, aber nun kamen scharenweise verzweifelte Frauen, die sich anfangs ihrer Elixiere bedient hatten, und flehten sie um Hilfe an, damit sie sich wieder in ihre Männer verliebten –
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