Sommernachtszauber
heute Abend nur eine begrenzte Speisekarte zur Auswahl steht …«, und sie sagte das Angebot auf.
»Das ist ja wieder typisch! Kantinenfraß!« Marvin rümpfte die Nase. »Also ich weiß ja nicht, wie ihr beide das seht, aber ich würde vorschlagen, wir gehen woandershin.«
Sonja und Simon sahen einander nachdenklich an. Joss war ziemlich sicher, dass sie alle miteinander umbringen würde, wenn sie jetzt in irgendeine pseudorustikale Edelklitsche umsiedeln wollten.
»Ich weiß nicht – vielleicht wäre es ja ganz amüsant, so im nostalgischen Sinne«, meinte Simon mit gekünstelter Heiterkeit. »Ist schon Jahre her, dass ich zuletzt eine richtige Steakand-Kidney-Pie gegessen habe. Die gute Sonja nimmt diesen Firlefanz mit der fettarmen Ernährung ziemlich genau.«
Sonja zuckte zusammen und machte ein Gesicht, als sei sie gerade dabei, die Mengen gesättigter Fettsäuren und Cholesterine in Blätterteig zusammenzuzählen, von der statistischen Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts durch Trans-Fettsäuren in Klößen mal ganz abgesehen.
»Ganz, wie du meinst, Simon«, sagte sie mit zusammengekniffenen Lippen. »Aber glaub nicht, dass ich Mitleid habe, wenn du danach vor lauter Verdauungsbeschwerden die halbe Nacht nicht schlafen kannst.«
Marvin, immer noch puterrot, nickte zögernd. »Wahrscheinlich ungenießbar – wer isst denn heutzutage noch solches Zeug? Blätterteig, um Himmels willen! Aber bitte, wenn ihr das Risiko eingehen wollt …«
Sie blieben! Jaaaa! Joss war im ersten Augenblick vor Begeisterung ganz überwältigt. Dann, nachdem sie einen Schluck Schorle getrunken hatte, erhob sie sich. »Also? Steak and Kidney Pie für alle? Und vier Spotted Dicks? Sehr schön – ich gebe gleich die Bestellung auf.«
»Immer mit der Ruhe. Warum diese Hast?« Marvin runzelte die Stirn. »Du gibst heute Abend ja ganz schön den Ton an, altes Mädchen.«
»Ich bin am Verhungern«, sagte Joss vergnügt. Ihr war klar, dass das Essen auf dem Tisch stehen musste, bevor die Party losging. Marvin war viel zu knickerig, um eine Mahlzeit stehen zu lassen, für die er bezahlt hatte, aber wenn er von dem bevorstehenden Polterabend Wind bekäme, würde er das Weasel and Bucket wie ein geölter Blitz verlassen, das wusste sie genau.
Als sie zur Bar zurückeilte, dachte sie sich, dass sie ihm vielleicht sogar verzeihen könnte, sie »altes Mädchen« genannt zu haben. Mit anzusehen, wie er nachher einen halben Herzanfall bekam, würde das mehr als wettmachen.
Das Essen kam erstaunlich schnell und bestand aus riesigen, gehäuften Platten und mehreren Terrinen mit frischem Gemüse, das aussah, als käme es nicht aus dem Supermarkt, sondern sei wirklich in einem Garten gewachsen. Als Joss sich Karotten und Broccoli auftat, bemerkte sie, dass Simon bereits seine Blätterteigkruste in sich hineinschlang wie ein Mann, der schon lange nach einer Dosis Kohlenhydrate gelechzt hatte.
»Sagt mal, was ist denn da drüben los?«, meldete sich Sonja mit vollem Mund zu Wort. »Was machen diese älteren Damen da?«
Joss wandte den Blick nicht von ihrem Teller. Als sie das Essen bestellt hatte, waren ihr die glänzenden Spruchbänder und zahlreichen rosa Luftballons und glitzernden Lametta-Luftschlangen hinter der Theke schon aufgefallen.
Alle anderen starrten in den vorderen Raum des Pubs, wo eine Schar nicht mehr ganz junger Frauen auf Stühlen und kleinen Leitern herumkletterte, um die Dekoration aufzuhängen.
»Ach, Simon, sieh mal! Das sind doch Gwyneth Wilkins und diese riesengroße Frau, mit der sie befreundet ist.« Sonja hatte den Mund immer noch ziemlich voll mit verbotenen Genüssen und sprach etwas undeutlich. »Ida Nochwas? Aber ja! Die kennen wir von unserem ›Schlank durch Salsa‹-Kurs in Winterbrook. Recht fit für ihr Alter, aber ziemlich merkwürdige alte Damen, die beiden. Sie tanzen in hautengen Samtoveralls und Turnschuhen.«
»Und da sind diese Motion-Frauen – die Leichenbestatter! Gott sei Dank haben sie ihren sonderbaren Bruder nicht dabei. Und die streitsüchtige alte Mona Jupp aus dem Laden hier im Dorf«, fügte Simon hinzu und nahm sich bei der Gelegenheit noch etwas Brot, um die Soße damit aufzutunken. »Was haben die denn vor? Und warum sind sie alle so aufgetakelt und ganz in Rosa?«
Joss riskierte einen Blick und hätte vor Lachen beinahe losgeprustet. Die Gewänder dieser älteren Partygäste bestanden aus verschiedenen Variationen von bodenlangem rosa Tüll, Federboas und glitzerndem rosa
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