Sommernachtszauber
Hand. »Für Derry hab ich keinen gemacht. Er kann sich selbst Kaffee kochen, wenn er aufsteht. Ich bin hier schließlich nicht das Dienstmädchen.«
»Na, du hast wohl wirklich einen schlimmen Kater«, lächelte Milla. »Für Derry Kaffee zu machen, hätte sich sowieso nicht gelohnt. Er ist gar nicht hier.«
Obwohl sie sich scheußlich fühlte, hellte sich Sukies Miene ein wenig auf, als sie zu Coras Sessel zurückschlurfte. »Ach so? Hattet ihr Streit?«
»Derry und ich streiten grundsätzlich nicht.« Milla zupfte vor dem Flurspiegel an ihrer sowieso schon makellos sitzenden Frisur herum. »Nein, der Club war eher eine Enttäuschung, und wir haben den Abend früh beendet. Außerdem werde ich heute zum Sonntagsessen im Schoß der Familie erwartet, da musste ich zeitig ins Bett, und zwar allein.« Sie hockte sich auf die Sessellehne. »Du weißt doch, dass meine Eltern immer mit Adleraugen nach Anzeichen eines ausschweifenden Lebenswandels Ausschau halten.«
Sukies kurzfristig aufgeheiterte Stimmung verdüsterte sich wieder. Milla stellte Derry ihren Eltern vor! Jetzt schon? Dann musste es etwas Ernstes sein.
»Und, was werden sie sagen? Ich meine, Derry ist ja sehr attraktiv, aber eigentlich ist er doch nicht so ganz dein Typ, oder?«
»Seit meine Verlobung geplatzt ist, gibt es für mich keinen bestimmten Typ mehr, das weißt du doch.« Milla nippte an ihrem Kaffee. »Und warum sollte Derry nicht der Richtige sein? Gut, er ist kein Broker oder Börsenfachmann und auch kein feiner Pinkel aus der Großstadt, wie du schon so scharfsinnig bemerkt hast, aber sieh dir doch zum Beispiel uns beide an, Sukie. Wir sind wie Tag und Nacht – und kommen trotzdem glänzend miteinander aus, findest du nicht?«
Sukie nickte. So war es.
»Als du nach einer Untermieterin gesucht hast, hätten doch alle erwartet, du würdest Pixies Laughter mit Chelsea teilen. Ihr seid ja schon seit der ersten Klasse befreundet. Das wäre das Naheliegendste gewesen.«
Sukie schauderte. »Chelsea hätte sich die Miete gar nicht leisten können, die ich verlangen muss, um das Haus zu halten. Im Supermarkt verdient sie nur den Mindestlohn. Und auch wenn wir zeitlebens beste Freundinnen waren, so hätten wir uns doch wahrscheinlich schon vor Ablauf des ersten Monats gegenseitig die Köpfe eingeschlagen.«
Aber es stimmte. Die Leute in Bagley-cum-Russet konnten einfach nicht verstehen, warum Sukie die Großstadtpflanze Milla als Untermieterin aufgenommen hatte, und nicht Chelsea. Sukie hatte dazu keine Erklärung abgegeben. Sie wusste, dass ihre Anzeige in der Rubrik »Zu vermieten« genau das gewesen war, was Milla auf ihrer Flucht vor dem Stadtleben gesucht hatte – nachdem ihre langjährige Verlobung mit einem Mann, der unerklärlicherweise Bo-Bo genannt wurde, plötzlich und schmerzhaft in die Brüche gegangen war.
Bo-Bo, so viel sickerte durch, war ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann der obersten Liga, und dem viel geküssten und beweinten Foto in Millas Zimmer nach zu urteilen, sah er aus wie der junge Bryan Ferry, ein Mann von Welt, atemberaubend dunkel und gefährlich. Und dieser Mann von Welt hatte wenige Wochen vor der Jahrhunderthochzeit plötzlich kalte Füße bekommen und sich aus dem Staub gemacht. Milla hatte es das Herz gebrochen.
Nach Bo-Bo hatte sich Milla in eine Reihe verrückter, kurzlebiger sexueller Abenteuer mit feinen Schnöseln gestürzt, in dem vergeblichen Versuch, über den Schmerz hinwegzukommen. Dann war sie Derry begegnet …
»Und wenn wir beide als Wohngemeinschaft so gut miteinander auskommen, warum sollte es mit Derry nicht auch gehen?« Milla stand auf. »Okay, jetzt muss ich aber sausen. Meine Mutter hat wahrscheinlich die Nachbarn zum Aperitif eingeladen, und sie hasst es, wenn man zu spät kommt. Danke für den Kaffee, Sukie. Kann sein, dass ich bei meinen Eltern übernachte, mach dir also keine Sorgen, wenn ich nicht nach Hause komme. Bis dann …«
Nachdem die Haustür zugefallen war, starrte Sukie wieder in die Gasflammen. An einem verregneten Sonntag allein zu Haus. Na toll …
»Reiß dich zusammen!«, sagte sie halblaut zu sich selbst. »Dir bleiben nicht mal mehr vierundzwanzig Stunden, um aus dem Massageöl-Schlamassel wieder herauszukommen. Vor Selbstmitleid triefend hier herumzusitzen, bringt dich nicht weiter.«
Also, welche Möglichkeiten gab es?
Nun, sie könnte Jennifer die Wahrheit sagen. Nein, Jennifer würde wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen und sie hinauswerfen
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