Sommernachtszauber
war’s. Ich suche nach etwas, das es wahrscheinlich nicht gibt, um etwas zu machen, das wahrscheinlich nicht gelingt.«
»Eine echte Herausforderung. Beihilfe erwünscht?«
»Nein! Ich meine – nein, danke – ich meine, du hast doch an deinem freien Sonntag bestimmt Besseres zu tun.«
»Ich lebe allein. Milla weilt im heimischen Nobelvorort.
Meine Kumpels spielen alle ›Vater-Mutter-Kind‹. Und heute kommt auch kein Fußballspiel im Fernsehen.«
»Nun, wenn du es so siehst …«
Sie grinsten einander zu.
»Also, womit fangen wir an?« Derry trank seinen Kaffee aus. »Sollen wir erst die, äh, Rezepte suchen? Oder erst die Pflanzen?«
»Das ist die Frage«, seufzte Sukie. »Erst die Henne oder erst das Ei?«
»Wie wär’s, wenn wir zunächst mal diese Sachen hier wegräumen? Platz schaffen und methodisch vorgehen?«
Sukie, die selten methodisch vorging, war beeindruckt. Ein Mann, der aufräumen konnte! Natürlich, bei seiner Arbeit musste er wohl methodisch vorgehen, und da er allein lebte, hatte er auch niemanden, der hinter ihm herputzte.
Sie nickte. »Okay. Wir schichten den Kram erst mal zu Stapeln auf.«
Nach einer halben Stunde, noch etwas Kaffee und einem ungesunden, aber den Kater kurierenden Mittagessen in Form von Chips und einem ganzen Päckchen Schokoladenkekse sah das Wohnzimmer schon nicht mehr gar so sehr nach Katastrophengebiet aus.
»Was ist damit?« Derry hielt ein Bündel verblichener Stoffstücke hoch. »Gehört das dir? Auf welchen Haufen kommt das?«
Sukie spähte vom Schrank aus zu ihm hinüber. »Nein, das gehört in Coras Handarbeitskorb. Der große Weidenkorb hinter dem Sofa. Es sind Coras Gobelins. Heute sagt man wohl eher Stickbilder dazu. Damit hat sie sich immer die Zeit vertrieben, während sie im Radio die Serie The Archers angehört hat. Ich hab sie aufgehoben, weil sie für mich immer untrennbar zu ihr gehörten.«
»Wirklich kunstvolle Arbeiten.« Derry schüttelte das erste Stoffstück aus. »Ach ja, meine Oma hatte auch so was. Kleine bestickte Bildchen mit Sprichwörtern: ›Da, wo mein Herz ist, bin ich zu Hause‹ und so. Sie hat sie dann eingerahmt wie Bilder.« Behutsam entfaltete er noch einige andere. »Deine Tante Cora war sehr geschickt – sieh dir all die winzigen Blumen an … wirklich kleine Meisterwerke – und überall stehen Gedichte darunter.«
Sukie nickte. »Als Kind habe ich diese Stickbilder sehr geliebt und oft damit gespielt. Ich habe Geschichten dazu erfunden und meine Puppen damit bekleidet …«
Sie hielt inne und wandte den Kopf ab. Auf einmal hatte sie einen dicken Kloß im Hals und merkte, wie ihr die Tränen kamen.
»Sukie? Ist alles in Ordnung?«
»Aber ja – leg sie doch einfach in den Handarbeitskorb.«
Derry schwieg. Sukie wischte sich die Tränen aus den Augen, bevor sie nasse Wangen bekam, und hoffte inständig, er würde sie nicht auslachen. Dann holte sie tief Luft und sah zu ihm hinüber. Er lächelte. Verdammt noch mal.
»Sukie …?«
»Ich sagte doch, alles in Ordnung.«
»Ja, aber schau doch mal her. Hast du schon mal die Gedichte auf diesen Gobelins gelesen?«
»Als ich klein war, konnte ich sie auswendig. Sie waren wie Kinderreime für mich. Da gab es eines über Rosen und Geißblatt. Ein anderes handelte von Kräutern, Basilikum und Koriander, ich hab mir immer vorgestellt, das wären die Namen von Leuten – und dann war da noch ein Vers über Himmelschlüssel und Gänseblümchen … und – ach du Scheiße!«
»Treffender hätte ich es auch nicht ausdrücken können«, sagte Derry grinsend. »Erster Teil der Aufgabe gelöst: Wir haben Coras Rezepte gefunden.«
10. Kapitel
D u hältst mich bestimmt für völlig durchgeknallt.« Sukie hatte sich in einen wenig vorteilhaften Regenmantel gemummelt und blinzelte Derry durch den strömenden Regen an. »Du hältst das alles sicher für Quatsch, stimmt’s? Gib’s zu, du willst mich nur aufheitern.«
In schiefergrauer Düsternis heulte der Wind durch den Garten von Pixies Laughter und peitschte den beiden nasse Brombeerranken und Nesseln und große Sauerampferblätter gegen die Beine.
Derry schaffte es, selbst in Coras altem Gartenmantel noch attraktiv auszusehen, und grinste Sukie durch einen Schleier aus Regentropfen an. »Nein, ich halte dich nicht für durchgeknallt. In dem Fall würde ich nicht versuchen, dich aufzuheitern, sondern zusehen, dass ich hier wegkomme, um an einem warmen und trockenen Plätzchen ein Bier zu trinken. Nein, ehrlich, ich finde
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