Sommernachtszauber
weich, und Beryls Haut wirkte mehr oder weniger unversehrt.
»Sag jetzt bloß nichts«, zischte Sukie der dünnen Kylie ins reichlich beringte Ohr. »Glaub mir, was auch immer du jetzt sagst, macht die Sache nur noch schlimmer. Lächle einfach, und tu so, als wäre das alles ganz normal. Und jetzt mach dich bereit.«
Kylie machte sich bereit, und Sukie zog, und Beryl zuckte zusammen.
Nach weiteren heiklen Manövern und einem unschönen schmatzenden Geräusch waren Beryls Wade und die kleinere Kylie voneinander getrennt.
Jennifer hatte mit der größeren Kylie etwas mehr Mühe und begann, hörbar zu keuchen. Als sie so mit der Zunge im Mundwinkel zog und zerrte, schnaufte sie fast wie ein Sumo-Ringer.
»Ja! Geschafft!«
Jennifer und die größere Kylie flogen nach hinten.
Beide Kylies wimmerten leise und verschwanden hinter dem Vorhang.
»Na bitte!«, sagte Jennifer fröhlich. »Eine erstklassige Enthaarung, Beryl. Kein Follikel stehen geblieben. Jetzt überlasse ich dich Sukie, unserer erfahrenen Fachkraft, und sie wird dich mit vitaminhaltigem Körperbalsam und Feuchtigkeitslotion fertig machen – was? Ach, nein, entschuldige, Beryl. Nein! Fertig machen ist hier natürlich im rein fachlichen Sinne gemeint …«
Sukie kaute auf der Innenseite ihrer Wangen herum, um nicht höchst unfachlich loszukichern, griff sich die Tiegel mit dem parfümierten Balsam und der Feuchtigkeitscreme und machte sich ans Werk.
Als Beryl den Salon verlassen hatte – sehr zu Jennifers Verdruss hatte Sukie ihm beigepflichtet, dass diese Beinenthaarung nicht in Rechnung gestellt werden sollte, und ihn durch einen Gutschein für eine kostenlose Gesichtsbehandlung noch weiter besänftigt -, hatte Jennifer die zwei Kylies bereits gründlich zusammengestaucht.
Beide hatten ihre wachsverschmierten pfirsichfarbenen Overalls inzwischen ausgezogen und hockten völlig verängstigt mit identischen gesichtsstraffend festgezurrten Pferdeschwänzen, nabelfreien T-Shirts und Cargohosen in einer Ecke.
»Halb so wild«, sagte Sukie freundlich. »Während der Ausbildung macht jede so ihre Fehler – und diesen Fehler macht ihr bestimmt kein zweites Mal. Jennifer ist eine sehr nette Chefin, echt. Tolle Tattoos habt ihr da, äh, sind die aber groß!«
Die beiden Kylies nickten. Orientalisch aussehende Hieroglyphen in verwaschenem Jeansblau rankten sich – vermutlich vom unteren Rücken her – züngelnd um ihre vorquellenden Bäuche.
»Tatty Spry in Steeple Fritton hat sie gemacht«, verriet die kleinere Kylie stolz. »Sie ist echt toll. Ist irgendwas Ausländisches und bedeutet Glück und Gesundheit und Frohsinn.«
Und es bedeutet auch, dachte Sukie, dass in etwa fünfzig Jahren eine ganze Generation von Ruheständlern am Rentenschalter Schlange stehen und mit ihren Gehhilfen herumschlurfen wird, bei denen unter der Rheumaunterwäsche lauter Hautfalten mit runzeligen, unkenntlich gewordenen Tätowierungen herumschlabbern.
»Hm, sehr hübsch.« Sie lächelte den beiden zu. »Meine Freundin Chelsea hat sich ihre Tattoos ebenfalls bei Tatty Spry machen lassen. Sie wollte mich auch dazu überreden, aber ich bin zu zimperlich. So, jetzt muss ich abzischen. Macht einfach genau, was Jennifer sagt, und fragt, wenn ihr irgendwas nicht wisst, dann wird alles gut gehen. Ganz bestimmt.«
Die Kylies lächelten unsicher und bedankten sich. Sukie fühlte sich auf einmal ziemlich erwachsen.
Jennifer hatte sie von der Empfangstheke aus beobachtet und strahlte sie an. »Du bist wirklich süß, Sukie. So nett. Und geduldig. Ich kann ja nicht so mit Kindern, wie du weißt. Bin kein mütterlicher Typ. Aber du wirst eines Tages eine wunderbare Mutter werden.«
»O bitte!« Sukie zog eine Grimasse. »Lass mich erst mal den Mann fürs Leben finden und die große Liebe erleben. Und dann eine tolle Hochzeit und ein paar Jahre normales Leben.«
»Tja, dann solltest du dich wohl lieber ein bisschen beeilen«, meinte Jennifer. »Schließlich hast du nicht mehr so viele günstige Jahre zum Kinderkriegen vor dir, und du hast ja nicht einmal einen Freund, oder?«
Jetzt kam sich Sukie nicht nur erwachsen, sondern auch ausgesprochen alt vor. Hatte Valerie Pridmore nicht genau dasselbe zu ihr gesagt?
»Ich stehe in der Blüte meiner Jugend und bin als Single sehr zufrieden – ich habe bestimmt nicht vor, mir ein Schild mit der Aufschrift ›Mann gesucht!‹ auf die Stirn zu kleben!« Grummelnd verkniff sie sich die Bemerkung, dass sie ebenso wenig vorhatte, sich auf
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