Sommernachtszauber
einsam.
So viele gebrochene Herzen,
so viele Liebende in Schmerzen,
so viel Kummer und Leid
sind vielleicht morgen schon geheilt.
Wie groß die Entfernung auch mag sein,
die Liebe kommt heim über Stock und Stein.
Glaube an der Pflanzen Kräfte,
an der Blumen duftende Säfte
bringt wahrhaft Liebende einander zurück,
sodass sie vereint in ewigem Glück.
Ohne Tränen, ohne Pein
werden sie unzertrennlich sein.
Sukie las das Gedicht mehrere Male. Nun, hohen literarischen Ansprüchen genügte es wohl nicht, aber die Aussage und worum es ging, verstand sicher jeder. Nachdem Topsy ihr von Coras verlorener Liebe erzählt hatte, konnte sie gut nachvollziehen, dass ihrer Großtante bei diesen Worten die Tränen gekommen waren. Sukie musste selbst schniefen und wünschte, sie hätte damals Bescheid gewusst und wäre groß genug gewesen, um Verständnis und Mitgefühl zu zeigen.
Trotzdem, dachte sie, als sie das Stickbild wieder zusammenfaltete und es vorsichtig in seine Papierhülle zurückgleiten ließ, war das Gedicht ohne das Rezept für eine Tinktur leider völlig nutzlos. So nah und doch so fern … Verflixt. Irgendwie gelang es ihr nicht so recht, den Stoff wieder in die Hülle zu schieben, da klemmte etwas … Sukie spähte in den Falz. Aha! Es steckte noch ein Blatt Papier darin, vergilbt und brüchig. Gespannt zog Sukie es heraus, öffnete es und las.
Ihr Mund wurde ganz trocken. Das war es also. Danach hatte sie gesucht. Coras vertraute Handschrift verschwamm vor ihren Augen:
Entfernungs-Liebestränke sind hochwirksam, stellen jedoch einen starken Naturzauber dar, und man sollte nur als allerletztes Mittel darauf zurückgreifen, um Liebende zusammenzuführen.
Sie dürfen nur angewandt werden, wenn unumstößliche Gewissheit besteht, dass das Endergebnis auch wirklich den persönlichen Wünschen entspricht, denn sie können nicht rückgängig gemacht werden.
Man nehme: 3 Tropfen Ingwer, 2 Tropfen Rosmarin,
2 Tropfen Jasmin, 1 Tropfen Klee, 1 Tropfen Zimt, 1 Prise pulverisierte Alraune und vermische die Zutaten mit Mandelöl. Die Tinktur sollte an einem Pulspunkt in die Haut eingerieben werden, vorzugsweise am linken Handgelenk, denn von dort gelangen die Pflanzenkräfte direkt zum Herzen eines der getrennten Liebenden, während dieser sich innerlich das Bild des Geliebten vor Augen hält. Die beiden werden unfehlbar in immerwährender Liebe vereint werden.
Sukie lehnte sich zurück und atmete aus, dann schob sie das Blatt vorsichtig in die Hülle, legte das Stickbild in Coras Handarbeitskorb und schloss den Deckel. Die Tinktur war ohne Schwierigkeiten zuzubereiten. Sie wusste sogar, dass hinten in Coras Vorratsschrank noch eine Dose mit pulverisierter Alraune stand. Nichts konnte sie davon abhalten, diese Mischung anzurühren, aber würde sie – sollte sie – davon Gebrauch machen?
Zwei Stunden später war sie endlich zu einer Entscheidung gelangt. Es war, gestand sie sich ein, wahrscheinlich die falsche, und da sie Chelsea ins Vertrauen ziehen musste, würde es am Ende höchstwahrscheinlich Tränen geben.
Gegen neun Uhr abends war der sommerlich milde Tag in einen typischen kühlen Aprilabend übergegangen, und Sukie eilte leicht fröstelnd in ihrer zweitbesten Jeans und ihrem drittbesten Pulli durch die Tür des Barmy Cow .
Von Frühlingsstimmung offenbar unberührt, war der Pub nach wie vor grau, verraucht, schmuddelig und nahezu menschenleer.
»Hallo, Sukie!« Hilton Berkeley, der offenbar darauf brannte, mit jemandem reden zu können, begrüßte sie freudig hinter dem Tresen. »War heute ein hübsches Bild von Ihnen im Advertiser , und Mrs Benson aus The Close hat auch was Nettes über die Massagen geschrieben. Topsy war ganz aus dem Häuschen wegen dem Cancan und so. Sie meint, jetzt kommen bestimmt mehr Bewerbungen für den freien Platz als für die Fernsehsendung X-Faktor . Ich hoffe, das gibt euch beiden mächtig Aufwind.«
»Vielen Dank.« Sie stützte die Ellbogen auf den Tresen. Erst zu spät fiel ihr ein, wie klebrig der war, und sie richtete sich rasch wieder auf. »Es ist ja so ruhig hier heute Abend – und ich glaube, noch irgendwas ist anders als sonst, aber ich komm nicht darauf, was es ist.«
»Ach ja?« Hilton strahlte sie an. »Wie schön. Wochentags ist es oft recht still hier. Die Leute sitzen wohl lieber vor dem Fernseher, als in den Pub zu gehen – keine Ahnung, warum.«
Sukie hatte da durchaus eine Ahnung, war aber zu höflich, um sie auszusprechen. »Jetzt
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