Sommernachtszauber
weiß ich, was ungewohnt ist! Sie sind ganz allein hier! Ich glaube, ich habe noch nie einen von Ihnen solo arbeiten sehen.«
»Kommt gelegentlich vor.« Hilton neigte den grauhaarigen Kopf zu ihr vor. »Nicht oft, stimmt schon, aber ab und zu, wenn sich einer mal unwohl fühlt oder irgendwo eingeladen ist. Was hätten Sie denn gern, meine Liebe?«
»Zwei halbe Pints Shandy bitte.« Sukie wollte auf Nummer sicher gehen. »Chelsea müsste bald kommen. Wo sind denn die anderen Jungs heute Abend? Doch hoffentlich nicht alle krank?«
»Nein, zum Glück nicht.« Hilton mischte zittrig zwei Halbe. »Dorchester ist oben mit der kleinen Topsy. Er hat ihr eine Sammlerbox von der Arztserie Dr. Kildare gekauft, aber sie hat kein DVD-Dings, und darum machen sie sich einen Pizza-und-Film-Abend auf seinem Zimmer.«
Obwohl am nächsten Tag Schule ist?, dachte Sukie und verkniff sich ein Kichern. Und ohne elterliche Aufsicht? Ganz schön raffiniert von Dorchester – bei der Gesamtausgabe von Dr. Kildare würde Topsy in seinen blau geäderten Händen nur so dahinschmelzen. Die magische Wirkung der Veilchenmischung von der Massage hielt offenbar immer noch an.
»Ähem, wegen dieser Geschichte mit Topsy und Dorchester – haben Sie eigentlich nichts dagegen, dass die beiden befreundet sind? Ich weiß ja, dass Sie und Ihre Brüder einander sehr nahestehen …«
»Aber gar nicht!« Hilton lächelte breit. »Unter uns, ich glaub ja, dass Dorchester schon seit einigen Jahren ein Auge auf Topsy geworfen hatte. Und warum sollte jemand allein bleiben, wenn es nicht sein muss? Gerade in unserem Alter. Wir haben von Liebesaffären immer Abstand gehalten, weil unsere geliebte Mutter damit so viel Pech gehabt hat.« Er nickte zu dem scheußlichen Bild von Honour Berkeley empor, das über der Theke hing. »Aber ehrlich, es freut mich richtig, unseren Dorchester so glücklich zu sehen.«
Sukie sandte ein stilles Dankgebet zum Himmel. Dann hatte die Veilchenmassage wohl gar ein gutes Werk getan? Vielleicht waren ihre Pläne für diesen Abend ja doch nicht so tolldreist? Andererseits …
»Und was machen Claridge und Savoy?« Sie bezahlte die Getränke. »Sind die auch auf ihren Zimmern?«
Hilton schüttelte den Kopf. »Das war wirklich komisch. Die Kartenspieler kamen wie immer um sechs auf einen Aperitif, aber Edie und Rita haben sich ganz merkwürdig benommen.«
Sukie nahm einen Schluck von ihrem Shandy. Das Getränk war eigenartig dickflüssig und schmeckte weder nach Bier noch nach Limonade. Sie war sich nicht sicher, ob sie den Rest der Geschichte wirklich hören wollte. »Merkwürdig?«
»Tja«, Hilton beugte sich über den Tresen, ohne darauf zu achten, was dabei alles an seinen Ärmeln kleben blieb, »haben kokett geflirtet und so. Sie wissen schon, und so verschämt herumgekichert. Außerdem waren beide total aufgetakelt und haben sich nach allen Regeln der Kunst an Claridge und Savoy herangemacht. Und letzten Endes sind alle vier zusammen nach Winterbrook ins Kino gegangen. Hier ist ja heute Abend sowieso nichts los.«
Ach du liebe Güte …, dachte Sukie. Ach du liebe Güte …. Und das nicht mal zwölf Stunden, nachdem sie die Mischung aus Butterblumen und Tausendschön bei ihnen angewendet hatte, von der Cora behauptete, sie »kennt des Herzens Wünsche gut« , und durch deren Wirkung »die Liebe für immer sein« würde.
Ach du liebe Güte … Das zusammengefaltete vergilbte Papier und das kleine Glasfläschchen in ihrer Tasche kamen ihr nun geradezu brandgefährlich vor. Eigentlich sollte sie nicht einmal daran denken … Oder?
»Ich dachte, das Kino in Winterbrook sei geschlossen worden und stattdessen wäre da jetzt so ein Neubau mit lauter Kaninchenställen für Alleinstehende namens Alhambra Meadows oder so ähnlich?«
»Ja«, Hilton tippte sich an den Nasenflügel. »Das stimmt. Aber an drei Abenden der Woche werden jetzt in der Getreidebörse Filme gezeigt. Da sind die Jungs mit Edie und Rita hin und schauen sich Das Rachemassaker der menschenfressenden Zombies an.«
»Entzückend.« Sukie versuchte, kein allzu angewidertes Gesicht zu machen. »Und – ähem – was ist mit den anderen Kartenspielern? Tom und Bert und Ken? Sind die alle nach Hause gegangen?«
Hilton löste sich wieder vom Tresen ab und gluckste. »Auch auf die Gefahr, dass Sie mich für einen albernen alten Trottel halten, aber ich wette meinen Keller voller bestem Bier, dass Tom und Ken zusammen gegangen sind, wenn Sie verstehen, was ich
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