Sommerprickeln
ihre Wangen aus. Ihr war warm, sie schwitzte, weil sie all ihre Habseligkeiten aus Mason Bayless’ Haus geräumt und in den Kofferraum ihres Saabs gestopft hatte. Sie hatte sich zwei Fingernägel abgebrochen und den Knöchel verstaucht.
Und zu allem Pech hatte sie auch noch ihre Tage bekommen. Zwei Wochen zu früh.
Sie hatte ihre Möglichkeiten abgewogen, doch es war nicht viel dabei herausgekommen. Wenn sie nicht so viel Geld verloren hätte, wäre sie wirklich froh angesichts der Aussicht gewesen, Passcoe nur noch im Rückspiegel zu sehen. Wohin als Nächstes? Nicht nach Kansas. Die Anwälte von BabyBrands drohten schon mit einem Prozess, daher konnte sie in nächster Zeit kein Kindermodegeschäft mehr eröffnen. Hm, nach Texas? Oder vielleicht nach Florida? Dort lebten viele wohlhabende Männer mit jeder Menge Geld. Bedenkenswert. Sie kam bereits zu spät zu ihrem Termin. Ihr Handy klingelte, sie griff danach und meldete sich, ohne vorher aufs Display zu schauen. Diese spontane Reaktion bedauerte sie sofort.
»Hi, Süße!« Cheryls Stimme, live übers Telefon aus South Sioux City in Nebraska, klang, als hätte sie mit Glassplittern und Batteriesäure gegurgelt. »Veronica sagt, du lebst jetzt in North Carolina. Soll echt nett sein da unten.«
»Woher hast du diese Nummer?«, wollte Celia wissen.
»Von Veronica«, erwiderte Cheryl. »Aber so spricht man doch nicht mit seiner Mutter.«
»Tut mir leid, aber ich habe einen richtigen Scheißtag heute«, sagte Celia. »Was willst du?«
»Warum glaubst du, dass ich etwas will, wenn ich dich anrufe?«, fragte ihre Mutter.
»Weil das immer so ist. Was ist es diesmal? Hoffentlich kein Geld, ich hab nämlich nichts übrig. Hab gerade meinen Job verloren.«
»Oh.« Schweigen. »Ich wollte nicht betteln«, sagte Cheryl, und es klang verletzt. »Ich wollte nur deine neue Adresse, damit ich dir dein Geburtstagsgeschenk schicken kann. Gene hat momentan richtig schöne Louis-Vuitton-Taschen, die magst du doch so gern.«
Der Freund ihrer Mutter war ein Gauner namens Gene, der in den zehn Jahren ihrer Beziehung mehr Zeit im Knast als bei Cheryl im Haus verbracht hatte.
»Ich habe erst im November Geburtstag. Und wie kommt Gene an Handtaschen von Louis Vuitton?«
»Er hat so seine Kontakte«, sagte Cheryl leichthin. »Ach, das mit deiner Arbeit ist aber schade. Ich hatte überlegt, dass ich dich besuchen komme. Ich war noch nie in North Carolina.«
»Warum willst du mich jetzt plötzlich besuchen?«, fragte Celia. »Hat Gene dich rausgeworfen?«
»Quatsch!«, rief Cheryl. »Ich dachte nur, dass es schön wäre, dich zu sehen. Ist schon so lange her.«
Nicht lange genug , dachte Celia. Es war sechs Jahre her, dass sie gegangen war. Sie hatte das College nur noch sporadisch besucht und in einem Steakhaus gekellnert, als ein guter Gast ihr das Angebot machte, als Handelsvertreterin einer Firma zu arbeiten, die Krankenhauswäsche vertrieb. Celia hatte sich das Auto ihrer Schwester Veronica »geliehen« und war noch am selben Abend nach St. Louis aufgebrochen, mit nichts als ihren Kleidern am Leib. Das Geldbündel, das sie im Handschuhfach gefunden hatte, war eine unerwartete, angenehme Zugabe gewesen.
»Momentan kommt das eher ungelegen«, sagte Celia ausdruckslos.
Nie wäre der richtige Zeitpunkt für ein Wiedersehen mit ihrer Familie .
»Du kannst auch hier vorbeikommen, solange du keine Arbeit hast«, schlug Cheryl vor. »Wir haben sehr viel Platz im Haus. Du hast Jaymies Zwillinge noch gar nicht gesehen, und die sind schon fast sechs. Und Terris Sohn Richie ist ein richtig großer Junge geworden. Bald zwölf, glaube ich. Er fängt schon an, sich zu rasieren, unfassbar, oder? Und Jasmine ist erst neun und schon so groß wie ihre Mutter.«
»Wohnen die immer noch alle bei Daddy im Haus?«, fragte Celia.
»Ich frage nicht nach«, erwiderte Cheryl. »Diese Mädchen kümmern sich kein bisschen um ihre Mutter. Nicht mal zum Muttertag krieg ich eine Karte. Sie interessieren sich nur für Doyle, sonst für niemanden.«
Am ehesten , dachte Celia , interessierten sich ihre beiden jüngsten Schwestern für das Behindertengeld ihres Vaters. Weder Jaymie noch Terri hatten sich die Mühe gemacht, ihren Highschoolabschluss zu schaffen oder einen der Väter ihrer zahlreichen Kinder zu heiraten. Stattdessen hatten sie früh eine gründliche Ausbildung in der Kunst des Schmarotzens bei Doyle Wakefield durchlaufen.
Celia schaute durch die Windschutzscheibe des Saab und entdeckte
Weitere Kostenlose Bücher