Sommerrot
der mir mit Zuneigung begegnet, würde mir vielleicht mal wieder gut tun, denke ich ganz egoistisch.
« Nein, ich habe noch nichts vor heute Abend!», antworte ich und als mein Blick in diesem Moment zu Tino schweift, verdunkeln sich seine Augen.
« Was hältst du von einem Essen im Merlin?», fragt Jonas.
« OK, im Merlin, aber nur, wenn ich meine Freundin Mirabell mitnehmen kann. Sie ist nämlich gestern bei mir eingezogen und ich will sie nicht gerne am erste Abend alleine lassen!»
Nach einer kurzen Schweigepause antwortet Jonas:
«Hm, gut, dann bis heute Abend. Wann soll ich euch abholen?»
« So um acht, wäre super!»
« OK, dann bis um Acht. Tschüssle Lena!»
« Tschüssle!»
Ich unterbreche die Verbindung und gehe zum Drucker. Ich ziehe den Bl ätterstapel heraus und lege ihn Tino in die Hände. Sein Blick brennt sich förmlich in mich hinein, als ich ihn dabei anschaue. Erschrocken trete ich einen Schritt zurück.
« Danke, Frau Sommer!», sagte er kontrolliert, dreht sich um und verschwindet in seinem Büro. Ich werde aus ihm nicht schlau. Wenn ich doch nur in seinen Kopf hineinschauen könnte. Ich sortiere Ablage und Post, die sich gestern in meiner Abwesenheit fast einen halben Meter hoch stapeln und filtere die zahlreich eingehenden Anrufe. Nur die wirklich wichtigen Gesprächspartner leite ich an Tino weiter. Kurz bevor ich meine Mittagspause antreten möchte, stürmt Tino kreidebleich in mein Büro.
« Es fehlt Geld!», platzt er heraus.
« Was?», frage ich perplex.
« Die Bilanzen stimmen nicht! Wo ist der Finanzleiter Dr. Pfeilert, oder wie heißt der Mann?»
« Dr. Pflegert! Er war im Urlaub, aber eigentlich müsste er schon wieder zurück sein. Sein Büro liegt nebenan.»
Tino st ürmt hinaus und kommt gleich darauf wieder zurück.
« Er ist nicht da! Haben sie seine private Telefonnummer?»
« Ja, Moment!»
Er st ützt seine Arme auf meinen Schreibtisch und wartet ungeduldig, bis ich dem Computersystem die Nummer entlockt habe.
« Soll ich sie verbinden, sobald er erreichbar ist?»
Ich deute mit einem Kopfnicken auf sein B üro, während ich die Nummer ins Telefon tippe.
« Nein, ich warte hier!»
Statt einem Freizeichen h ören wir die Nachricht durch den Lautsprecher, dass unter dieser Telefonnummer kein Teilnehmer existiert. Ich prüfe nach, ob ich die Nummer korrekt eingegeben habe, aber ich kann keinen Fehler entdecken.
« Existiert noch eine weitere Nummer im System?», fragt Tino erregt. Ich schüttele den Kopf.
« Wo wohnt Dr. Pflegert?»
« Gutenbergstraße 5, hier in Ulm.»
« Kommen sie, wir müssen dort hin!»
Ohne Widerrede greife ich nach meiner Tasche und laufe hinter Tino her, Richtung Aufzug. Die ganze Sache kommt mir seltsam vor. Glaubt Tino, Dr. Pflegert hat etwas mit dem fehlenden Geld zu tun? Wieso stimmt seine Telefonnummer nicht? Wir betreten gemeinsam den Aufzug und fahren hinunter. Mir wird schummrig zu Mute. Hier drin haben wir uns zum ersten mal getroffen und beim Stromausfall leidenschaftlich geliebt. Ob er jetzt auch daran denkt? Ein fl üchtiger Seitenblick in meine Richtung verrät mir, dass er sich ebenfalls daran erinnert fühlt. Dann sind wir auch schon unten in der Tiefgarage und stürmen zu seinem Wagen. Warum soll ich eigentlich mitkommen? Das kann er doch auch alleine erledigen, denke ich. Dennoch steige ich auf den Beifahrersitz seines BMWs, als er gleich darauf losfährt. Ein beklemmendes Gefühl befällt mich, hier neben ihm zu sitzen, während er mich mit scheinbar zufälligen Blicken mustert. Glaubt er etwa, ich merke das nicht? Ich verschränke die Arme vor mir und starre auf die Straße, um ja nicht wieder einem seiner finsteren Blicke zu begegnen. Schon wenig später kommen wir in der Gutenbergstraße zum Stehen. Unser Parkplatz liegt bei der Hausnummer 21. Wir steigen aus und suchen nach dem Haus mit der Nummer 5. Es ist ein sanierter Altbau – nobel und sicherlich teuer.
« Hier wohnt kein Dr. Pflegert!», sagt Tino und deutet auf die Klingelschilder. Er drückt eine Klingel mit der Aufschrift «Hermann». Wenig später trötet eine Stimme aus der Gegensprechanlage: «Hallo, wer ist da?»
« Herr Dr. Pflegert hat uns dieses Haus als seine Wohnadresse angegeben, aber wir können sein Klingelschild nicht finden. Können sie uns vielleicht weiterhelfen, Herr Hermann?»
« Pflegert? Kenne ich nicht! Hier wohnen nur alte Leute und das schon seit über zwanzig Jahren. Da sind sie hier sicher falsch!»
« Danke!»,
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